Margaret Fullers transnationales Projekt : Selbstbildung, feminine ...
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<strong>Margaret</strong> Fuller: Kulturelle Vermittlerin 79<br />
die nicht nur von ihren Zeitgenossen, wie etwa von George Ripley, William<br />
Channing oder Theodore Parker, geteilt wird, sondern die auch von deutschen<br />
Gelehrten, wie Friedrich Schleiermacher und Wilhelm von Humboldt vertreten<br />
wird. In der Abhandlung „Über die verschiedenen Methoden des Übersetzens“<br />
veranschaulicht Friedrich Schleiermacher 1813 die Bedeutung von Übersetzungen<br />
für die Entwicklung der deutschen Literatur.<br />
Wie vielleicht erst durch vielfältiges Hineinverpflanzen fremder<br />
Gewächse unser Boden selbst reicher und fruchtbarer geworden ist,<br />
und unser Klima anmuthiger und milder: so fühlen wir auch, daß<br />
unsere Sprache, weil wir sie der nordischen Trägheit wegen weniger<br />
selbst bewegen, nur durch die vielseitigste Berührung mit dem fremden<br />
recht frisch gedeihen und ihre eigne Kraft vollkommen entwickeln<br />
kann. 104<br />
Auch Wilhelm von Humboldt sieht in Übersetzungen als Form des interkulturellen<br />
Kontaktes einen Gewinn der nationalen Literatur und der Nation an sich.<br />
Humboldt erläutert in der Einleitung zu Aeschylos Agamemnon metrisch übersetzt:<br />
Das Übersetzen und gerade der Dichter ist vielmehr eine der<br />
nothwendigsten Arbeiten in einer Literatur, theils um den nicht<br />
Sprachkundigen ihnen sonst ganz unbekannt bleibende Formen der<br />
Kunst und der Menschheit, wodurch jede Nation immer bedeutend<br />
gewinnt, zuzuführen, theils aber und vorzüglich, zur Erweiterung der<br />
Bedeutsamkeit und der Ausdrucksfähigkeit der eignen Sprache. [...] Wie<br />
sich aber der Sinn der Sprache erweitert, so erweitert sich auch der Sinn<br />
der Nation. 105<br />
<strong>Margaret</strong> Fuller vertritt eine ähnliche Auffassung und erkennt die zentrale<br />
Bedeutung des interkulturellen Kontaktes für die Entwicklung der Nationalliteratur<br />
und des Nationalcharakters, wenn sie in „Present State of German Literature“<br />
fordert, amerikanische Dichter sollten sich in einem stärkeren Maße der deutschen<br />
Literatur zuwenden, die sie als Gegengewicht zu den materialistischen und<br />
utilitaristischen Tendenzen im eigenen Land sieht. Da die literarische Übersetzung<br />
wie jeder andere literarische Text für ein bestimmtes Publikum verfasst wird, ist die<br />
Intention des Übersetzers bei der Analyse des Textes zu berücksichtigen. 106 Wie<br />
<strong>Fullers</strong> programmatische Schriften zeigen, verfolgt sie ein didaktisches Ziel, das<br />
auch bei ihren Übersetzungen deutlich wird:<br />
[...] Fuller’s early interest in translation developed naturally from her<br />
desire to elaborate a new pedagogical model for her culture; again and<br />
again, the ‘foreign’ or different nature of another language assisted her<br />
in the efforts to exhibit the play of difference within her own<br />
culture. 107<br />
104 SCHLEIERMACHER, „Über die verschiedenen Methoden des Übersetzens“, 69.<br />
105 HUMBOLDT, „Einleitung“, 81-82.<br />
106 Vgl. KOPPEN, „Die literarische Übersetzung“, 136.<br />
107 ZWARG, „Feminism in Translation“, 62.