Margaret Fullers transnationales Projekt : Selbstbildung, feminine ...
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skripte in der Houghton Library der Harvard Universität, in der Boston Public<br />
Library und in der Massachusetts Historical Society untersuchen und fand wichtige<br />
unveröffentlichte Schriften, die Aufschluss über <strong>Fullers</strong> Interesse an der deutschen<br />
Literatur geben und von zentraler Bedeutung für die Analyse ihres Selbstkonzeptes<br />
sind. Zu diesen Schriften gehören Gedichte, Prosatexte, Aufzeichnungen zu <strong>Fullers</strong><br />
geplanter Goethe-Biographie Life of Goethe und zahreiche Reading-Journals, in denen<br />
Fuller die deutschen Werke kommentiert, ihre Lektüreerlebnisse und -eindrücke<br />
festhält und literaturkritische Aufsätze entwirft.<br />
<strong>Margaret</strong> <strong>Fullers</strong> Werk ist durch zahlreiche Bezugnahmen gekennzeichnet,<br />
was eine Vielfalt von intertextuellen Bezügen zur Folge hat, die wichtig für die<br />
literarische Selbstbestimmung und insbesondere für die Entwicklung des weiblichen<br />
Selbstbildes sind. Um die bewussten internationalen Bezugnahmen zu untersuchen,<br />
bedarf es eines komparativistisch angelegten Ansatzes, des Writer Response Criticism,<br />
eines Ansatzes, der von Arnim Paul Frank im Umfeld des Sonderforschungsbereiches<br />
529 zur Internationalität nationaler Literaturen entwickelt wurde. 4 Der<br />
Writer Response Criticism dient insbesondere „der Analyse interkultureller Transformationsleistungen,<br />
durch die Schriftsteller zu einer literarischen Identitätsfindung<br />
und zur kulturellen Abgrenzung gegenüber der ehemaligen Vormacht beitragen“. 5<br />
Rezeptionsästhetik und Aspekte des Intertextualitätsansatzes bieten Anregungen,<br />
Literaturgeschichte als einen dynamischen Prozess zu begreifen; als „eine ständige<br />
Auseinandersetzung zwischen Altem und Neuem, zwischen verschiedenen Stil- und<br />
Formtendenzen, zwischen Autor und Publikum“, wobei die Fragen nach dem „Wie<br />
und Warum“ der literarischen Bezugnahmen von zentraler Bedeutung sind. 6 Wie<br />
Armin Paul Frank verdeutlicht, berücksichtigt eine realistische Literaturgeschichte<br />
die Bezugnahmen, die Autoren in ihre Werke einschreiben. Frank fasst den Prozess<br />
der literarischen Aufnahmen als Dialog auf und erläutert:<br />
Literarisches Schreiben ist ein über Zeit und Raum hinweg geführtes,<br />
freilich einseitiges und retro-aktives Gespräch zum einen mit Autoren,<br />
deren Werke sich im Lagerhaus der Vergangenheit befinden, und zum<br />
anderen mit zeitgenössischen Autoren. [...] Jeder Text besteht zu einem<br />
großen Teil aus ‚Spuren‘ früherer Lektüre, aus bewußten und<br />
unbewußten Spuren von dem, was ein Autor über seine Kunst und<br />
seinen Stoff gelernt hat. 7<br />
Dieser Ansatz berücksichtigt rezeptionsästhetische Gedanken und stützt sich auf<br />
Hans Robert Jauß’ Annahme, dass erst durch den Rezipienten Literatur zum<br />
geschichtlichen Prozess werde, wodurch eine Tradition entstehe. 8 In Jauß’ Ansatz<br />
4 Vgl. FRANK & MUELLER-VOLLMER, The Internationality of National Literatures, 13-16, 21-42.<br />
5 BUCHENAU, Der frühe amerikanische historische Roman im transatlantischen Vergleich, 37.<br />
6 CLEMEN, „Was ist literarischer Einfluß?“, 32.<br />
7 FRANK, „Vorüberlegungen zu einer internationalen Geschichte der anglo-amerikanischen<br />
Literatur“, 34.<br />
8 Jauß konstatiert 1967 die Krise der Literaturwissenschaft und betont mit seiner<br />
Literaturgeschichte des Lesers die Bedeutung des Rezipienten. Jauß zufolge sei die Krise die<br />
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