Margaret Fullers transnationales Projekt : Selbstbildung, feminine ...
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Self Culture: <strong>Margaret</strong> <strong>Fullers</strong> Bildungskonzept<br />
Minerva, Diana und Vesta durch das Merkmal der Jungfräulichkeit verbunden ist<br />
und sich als „steadfast soul“ durch Unabhängigkeit und self-reliance auszeichnet. 185<br />
Anhand von Goethes Frauenfiguren erläutert <strong>Margaret</strong> Fuller in Woman in the<br />
Nineteenth Century ihr Weiblichkeitskonzept und zieht Gestalten aus der Mythologie<br />
heran, um ihre Theorie zu stützen. Fuller teilt die weibliche Psyche in zwei Seiten,<br />
die ihr zufolge in jeder Frau unterschiedlich stark ausgeprägt seien: „There are two<br />
aspects of woman’s nature, represented by the ancients as Muse and Minerva.“ 186<br />
Die eine Seite der Frau, die für Verstand, Weisheit und Unabhängigkeit steht, wird<br />
in der Mythologie durch die jungfräuliche Göttin Minerva repräsentiert und findet<br />
poetischen Ausdruck in Goethes Makarie. Fuller preist Makarie als ideale Frauengestalt<br />
und betont bei ihrer Charakterisierung der Figur die Eigenschaften, die sie<br />
als Minerva-Seite der weiblichen Psyche bezeichnet. Wilhelm Meister trifft in den<br />
Wanderjahren in Makarie auf die vollendete Weiblichkeit, die ihn in Astrologie und in<br />
der menschlichen Geschichte unterrichtet:<br />
Farther and last he [Wilhelm] comes to the house of Macaria, the soul<br />
of a star, i.e. a pure and perfected intelligence embodied in <strong>feminine</strong><br />
form[.] In the Macaria, bound with the heavenly bodies in fixed<br />
revolutions, the centre of all relations, herself unrelated, he expresses<br />
the Minerva side of <strong>feminine</strong> nature. 187<br />
Fuller assoziiert Goethes Makarie mit der griechischen Figur der Makaria, die als<br />
Göttin wahren Glückes verehrt wurde, und vertritt die These, dass Makaria das<br />
Glück als seelische Ausgeglichenheit personifiziere, die der Weisheit entspringe. 188<br />
Die weise Makarie, die mit dem Himmel und den Gestirnen verbunden ist,<br />
erscheint in <strong>Fullers</strong> Darstellung als eine göttliche Gestalt, was auf die<br />
Verwandtschaft mit der Göttin der Weisheit und des Mondes Minerva hindeutet,<br />
sie aber auch mit der ägyptischen Mondgöttin Isis verbindet.<br />
Die Muse in der Frau repräsentiert das Intuitive, Poetische und Lyrische<br />
und wird in der Mythologie durch die Seherin Kassandra verkörpert. Laut Fuller<br />
äußert sich diese Seite der Frau entweder in einer ausgeprägten Kreativität oder in<br />
der magischen Gabe, Vorhersagen zu treffen und zu einer tieferen Einsicht zu<br />
gelangen:<br />
What I mean by the Muse is the unimpeded clearness of intuitive<br />
powers which a perfectly truthful adherence to every admonition of the<br />
185 FULLER, Woman in the Nineteenth Century, 75. <strong>Margaret</strong> Fuller widmet der Figur der<br />
Iphigenie eines ihrer Gedichte, das unter dem Titel “Iphigenia” in einer Sammlung von<br />
Gedichten in <strong>Fullers</strong> Manuskripten in der Houghton Library enthalten ist. Vgl. Anhang E1.<br />
186 FULLER, Woman in the Nineteenth Century, 68.<br />
187 FULLER, Woman in the Nineteenth Century, 75-76.<br />
188 Fuller erklärt, Goethe spiele mit seiner Makarie auf die griechische Makaria, die Tochter<br />
des Herkules, an: „It was not by chance that Goethe gave her this name. Macaria [...] was<br />
canonized by the Greeks, and worshipped as the Goddess of true Felicity. Goethe has<br />
embodied this Felicity as the Serenity that arises from Wisdom [.]“ FULLER, Woman in he<br />
Nineteenth Century, 76.