Margaret Fullers transnationales Projekt : Selbstbildung, feminine ...
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Bilder des Weiblichen: <strong>Margaret</strong> Fuller und die frühromantische Schule<br />
Symbol der Nacht von Bedeutung, das für tiefere Einsicht und Erfüllung steht. In<br />
dem Abschnitt „Sehnsucht und Ruhe“ vergleicht Julius Lucinde mit einem<br />
mystischen Wesen aus dem Reiche der Nacht und bezeichnet die Geliebte als<br />
Priesterin dieser geheimnisvollen Welt:<br />
Nur in der Nacht singt Klagen, sprach Julius, die kleine Nachtigall und<br />
tiefe Seufzer. Nur in der Nacht eröffnet sich die Blume schüchtern und<br />
atmet frei den schönsten Duft, um Geist und Sinne in gleicher Wonne<br />
zu berauschen. Nur in der Nacht, Lucinde, strömet tiefe Liebesglut und<br />
kühne Rede göttlich von den Lippen, die im Geräusch der Tage ihr<br />
süßes Heiligtum mit zartem Stolz verschließen. [...] Gedenke, Du bist<br />
die Priesterin der Nacht. Im Strahl der Sonne selbst verkündigt’s der<br />
dunkle Glanz der vollen Locken, der ernsten Augen lichtes Schwarz,<br />
der hohe Wuchs, die Majestät der Stirn und aller edler Glieder. 94<br />
Diese Nachtbegeisterung erinnert den Leser an Novalis’ Bestimmung der Nacht:<br />
Wie sein Vertrauter Friedrich Schlegel assoziiert Novalis die Nacht mit Rausch,<br />
Erkenntnis und Ursprünglichkeit und beschreibt die Frau als ein Wesen dieser<br />
anderen Welt.<br />
Sowohl Lucinde als auch die Figur der Sophie aus Novalis’ Hymnen an die<br />
Nacht erscheinen als Herrscherinnen der Nacht, die über eine starke erotische<br />
Ausstrahlung verfügen und ihr männliches Gegenüber in die Geheimnisse der<br />
nächtlichen Welt einführen. Novalis bewertet die Nacht neu, die in seinen Augen<br />
nicht für negative Kräfte, Sünde oder Elend steht, sondern als ein<br />
lebensspendendes Prinzip und Medium sinnlicher und religiöser Erfahrung gefeiert<br />
wird. 95 Novalis’ Priesterin der Nacht Sophie begegnet dem Sprecher in seinen<br />
Träumen und tritt als die zentrale Figur dieser anderen Welt auf, die der Welt des<br />
Lichtes und des Tages antithetisch gegenübergestellt wird. Stärker als Schlegel<br />
betont Novalis, dass die Nacht für den Sprecher eine Offenbarung bedeutet und<br />
ihm Zugang zu den Tiefen seines Selbst verschafft. Sophie ist die Schlüsselfigur, die<br />
das Reich der Nacht, das für die Psyche des Menschen steht, öffnen kann. In der<br />
ersten Hymne lobpreist das lyrische Ich die mystische Nacht und besingt die<br />
Königin und Priesterin der Nacht, die ihm die tiefe Erkenntnis verschafft:<br />
Himmlischer, als jene blitzenden Sterne, dünken uns die unendlichen<br />
Augen, die die Nacht in uns geöffnet. Weiter sehn sie als die blässesten<br />
jener zahllosen Heere – unbedürftig des Lichts durchschaun sie die<br />
Tiefen eines liebenden Gemüts – was einen höheren Raum mit<br />
unsäglicher Wollust füllt. Preis der Weltkönigin, der hohen<br />
Verkünderin heiliger Welten, der Pflegerin seliger Liebe – sie sendet<br />
mir dich – zarte Geliebte – liebliche Sonne der Nacht, – nun wach ich<br />
94 F. SCHLEGEL, Lucinde, 135-36.<br />
95 Vgl. BÄCHTHOLD-STÄUBLI & HOFFMANN-KRAYER. Handwörterbuch des deutschen<br />
Aberglaubens, 767-94.