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Margaret Fullers transnationales Projekt : Selbstbildung, feminine ...

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<strong>Margaret</strong> <strong>Fullers</strong> integratives Konzept einer Nationalliteratur und die deutsche Literatur<br />

zu rezipieren und betont, aus einem produktiven Umgang mit der deutschen<br />

Literatur könnten genuin amerikanische Werke entstehen. In ihrem Aufsatz<br />

„Bettine Brentano and Her Friend Günderode“ (1842) führt Fuller diesen<br />

Gedanken aus:<br />

Let him who has seated himself beneath the great German oak, and<br />

gazed upon the growth of poesy, of philosophy, of criticism, of historic<br />

painting, of the drama, till the life of the last fifty years seems well<br />

worth man’s living, pick up also these little acorns which are dropping<br />

gracefully on the earth, and carry them away to be planted in his own<br />

home, for in each fairy form may be read the story of the national tree,<br />

the promise of future growths as noble. 120<br />

Fuller erwähnt hier die Entwicklung der deutschen Nation von einem Land ohne<br />

eine distinktive Literatur zu einem Land, das sich durch eine Nationalliteratur<br />

auszeichnet – ein Gedanke, den James Mackintosh in seiner Rezension von De<br />

l‘Allemagne betont und den George Bancroft in seinen Studien zur deutschen<br />

Literatur darlegt. Der Entwicklungsaspekt, auf den Fuller anspielt, macht die<br />

deutsche Literatur zu einem geeigneten Modell für amerikanische Literaten, die<br />

darum bemüht sind, die Phase der „infant poetry“ hinter sich zu lassen und eine<br />

reife, unabhängige Literatur zu bilden. 121<br />

Fuller argumentiert bei ihrem Ruf nach kultureller Unabhängigkeit nicht<br />

einseitig, sondern erkennt neben der Zukunft auch die Vergangenheit einer Nation<br />

als wichtigen Aspekt des nationalen Selbstbildes an. In ihrem Essay „Romaic and<br />

Rhine Ballads“ den sie 1842 in The Dial veröffentlicht, fordert sie, das intellektuelle<br />

Leben habe die nationale Vergangenheit zu begreifen, zu beleben und zu bewahren.<br />

In ihrem Aufsatz, einer Besprechung von Karl Simrocks Sammlung Rheinsagen aus<br />

dem Munde des Volkes und deutscher Dichter und C. Fauriels Sammlung Neue griechische<br />

Volkslieder erläutert Fuller am Beispiel der deutschen Rheinsagen, dass es für die<br />

Konstituierung nationaler und kultureller Identität wichtig sei, sich der Vergangenheit,<br />

die in den Sagen bewahrt werde, zuzuwenden. <strong>Margaret</strong> Fuller beruft sich auf<br />

Gedanken, die ihr Bancrofts Herder-Rezeption vermittelt, wenn sie den<br />

Zusammenhang zwischen dem nationalen und kulturellen Selbstbild betont und die<br />

Rheinsagen als „the growth of a national thought“ charakterisiert. 122 Die deutsche<br />

Kultur, die durch eine traditionsreiche Geschichte glänzt, solle den amerikanischen<br />

Gelehrten ein Vorbild sein und dazu inspirieren, nationale Werte und Traditionen<br />

zu bewahren. Inspiriert durch James Marshs Schlegel-Rezpetion und Herders<br />

Sammlung Volkslieder betont <strong>Margaret</strong> Fuller am Beispiel der Rheinsagen und der<br />

griechischen Volkslieder die Bedeutung der Balladen und der Volkslieder, aus<br />

denen sich eine Nationalliteratur entwickeln könne, und fordert amerikanische<br />

Dichter auf, sich der eigenen kulturellen Vergangenheit zu befassen. In diesem<br />

120 FULLER, „Bettine Brentatno and Her Friend Günderode“, 321.<br />

121 MACKINTOSH, „De l’Allemagne“, 511.<br />

122 FULLER, „Romaic and Rhine Ballads“, 180.

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