Margaret Fullers transnationales Projekt : Selbstbildung, feminine ...
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Freundschaftskult 211<br />
Fuller verarbeitet die Erfahrung der Einsamkeit und stellt ein lyrisches Ich vor, das<br />
verlassen von der Partnerin wehmütig den Erinnerungen an die gemeinsame Zeit<br />
nachhängt. In dem Gedicht „On receiving two letters from—“ (1837) muss die<br />
Sprecherin erkennen, dass die Trennung von der Freundin endgültig ist und die<br />
Welt für sie düster bleiben wird:<br />
In this sad world, where every Beauty seems<br />
Made but to stimulate and mock our dreams,<br />
Where like of hearts and mind still severed are,<br />
Where the wave vainly heaves us to meet the star,<br />
Where noblest souls most rarely find a home,<br />
Where holiest pilgrims most forsaken roam,<br />
Where flowers, whose breath is all of Araby,<br />
Upon the lonely waste unnoticed die, – 56<br />
Die Sprecherin stellt sich als einsame Seele dar, die ohne die Freundin keine Ruhe<br />
finden kann. Die Freundinnen sind Seelenverwandte, die gemeinsam die Natur<br />
erleben. In „To the Same. In Answer to the Letter of January 6 th , 1836“ nennt die<br />
Sprecherin ihr Gegenüber „my heart’s sister, and my fancy’s love“ und erklärt, die<br />
Freundinnen seien durch die Ähnlichkeit ihrer Gefühle verbunden: „Shall the same<br />
gale to both of us convey / The fragrance of the Italian orange-grove? / And break<br />
the bay of Naples into smiles?“ 57 Das Thema der Seelenverwandtschaft bestimmt<br />
auch das Gedicht „To A.H.B. – In Her Convent“ (1836), in dem das lyrische Ich<br />
sich danach sehnt, der Welt des Alltags zu entfliehen und in einem neuen Reich mit<br />
der Freundin vereint zu sein. Die spirituelle Dimension der Beziehung wird<br />
hervorgehoben, wenn es heißt:<br />
Far from the frivolous world to fly,<br />
Silent with thy own spirit to commune,<br />
Leaving an atmosphere of flattery,<br />
Thy being’s chords in quiet to attune<br />
With God and Nature, this was a desire<br />
I never thought to find on one so fair, – 58<br />
Wie in Jean Pauls Roman Siebenkäs findet <strong>Margaret</strong> Fuller auch in Klopstocks<br />
Freundschaftsoden Darstellungen der gleichgeschlechtlichen Seelenverwandtschaft:<br />
In „An Bodmer“ zum Beispiel stellt Klopstock zwei Freunde als Seelenverwandte<br />
vor und betont die geistige Verwandtschaft der Freunde, die füreinander geschaffen<br />
und einander ähnlich sind. In Klopstocks Ode und in <strong>Fullers</strong> Gedicht wird deutlich,<br />
dass innere Nähe die Grundbedingung der empfindsamen Freundschaft ist: Das<br />
lyrische Ich in „An Bodmer“ erklärt, der Freund sei „für das Herz [ihm] gemacht“;<br />
die Sprecherin in <strong>Fullers</strong> Gedicht betont, die Freundinnen teilten Empfindungen<br />
und Gedanken. 59<br />
56 Anhang D.8.<br />
57 Anhang D.7.<br />
58 Anhang D.6.<br />
59 KLOPSTOCK, „An Bodmer“, z.17.