Spektrum • menSchen 20 Interview mit Renate Pilz, geschäftsführen<strong>de</strong> Gesellschafterin von Pilz „Man kann viel lernen“ Pilz entwickelte 1974 eines <strong>de</strong>r ersten <strong>de</strong>utschen speicherprogrammierbaren Steuerungssysteme und brachte 1987 das Sicherheitsschaltgerät PNOZ auf <strong>de</strong>n Markt, das zum weltweit meist eingesetzten seiner Art wur<strong>de</strong>. ke NEXT war in Ostfil<strong>de</strong>rn für ein Gespräch mit <strong>de</strong>r beeindrucken<strong>de</strong>n Firmenchefin. 3/2012 „Unsere Kun<strong>de</strong>n wissen: Wenn wir etwas Neues anbieten, dann ist das eine Innovation. Und nicht etwas, was es so o<strong>de</strong>r so schon gibt.“ Renate Pilz, Pilz
Sie können auf einige Jahrzehnte in Ihrem Unternehmen zurückblicken. Worauf sind Sie beson<strong>de</strong>rs stolz? Ich bin stolz auf unsere Innovationen – das muss ich schon sagen. Und dass es uns gelungen ist, die sichere Automatisierungstechnik so sehr – nicht nur in Deutschland, son<strong>de</strong>rn auf <strong>de</strong>r ganzen Welt – zu verankern, dass man uns Botschafter <strong>de</strong>r Sicherheit nennt. Da haben wir wirklich sehr positiv gewirkt. Wir haben Produkte für die Automatisierung entwickelt, mit <strong>de</strong>nen Sicherheitsstandards so erfüllt wer<strong>de</strong>n, dass Safety bei unseren Kun<strong>de</strong>n nicht als lästige, stören<strong>de</strong> Notwendigkeit empfun<strong>de</strong>n wird, son<strong>de</strong>rn dass sie damit auch für ihr Unternehmen einen Nutzen schaffen. Und die Sicherheit nicht nur als Kostenfaktor gesehen wird. Derzeit sind Sie ja dabei, sich vom reinen Sicherheitsspezialisten hin zu einem Komplettanbieter <strong>de</strong>r Automatisierungstechnik zu entwickeln. Wie kommen Sie damit voran? Gut, <strong>de</strong>nn wir haben ja das Thema Sicherheit nie isoliert betrachtet. Wenn wir eine Applikation vor uns haben, dann sehen wir das Gesamte. Ich sage immer: Für mich ist Sicherheitstechnik die Königsdisziplin, das Herzstück. Wenn ich die beherrsche, dann habe ich die Standardtechnik mit dabei. Aber glauben Ihnen die Kun<strong>de</strong>n, dass Sie Standard-Automatisierung können? Wir müssen noch stärker in die Wahrnehmung <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n kommen. Dazu gibt es eine schöne Geschichte. Auf <strong>de</strong>r vorletzten Hannover Messe kam ein guter Kun<strong>de</strong> zu uns auf <strong>de</strong>n Stand – wir kennen uns schon viele Jahre. Wir hatten auf <strong>de</strong>r Messe das Mo- <strong>de</strong>ll einer Brückenschleuse. Er meinte zu mir: ‚Da machst du die Sicherheitstechnik.‘ Dann habe ich gesagt: ‚Nein, da machen wir alles, komplett.‘ Er sagte: ‚Das kannst du nicht.‘ Und ich: ‚Dann kennst du mich falsch.‘ Ich habe das Mo<strong>de</strong>ll aufgemacht und da war alles, wirklich alles komplett von Pilz. Das war so nett, <strong>de</strong>r war vollkommen überrascht. Sie haben erzählt, worauf Sie stolz sind. Gibt’s vielleicht rückblickend etwas, wovon Sie sagen: das war nicht so gut, das wür<strong>de</strong>n Sie an<strong>de</strong>rs machen? Gibt es sicher. Aber ich möchte es vielleicht ein bisschen an<strong>de</strong>rs formulieren: Aus all <strong>de</strong>m, was nicht so gelaufen ist, wie man sich das erhofft o<strong>de</strong>r gewünscht o<strong>de</strong>r geplant hat, lernt man ja. Und <strong>de</strong>shalb möchte ich alles wie<strong>de</strong>r so machen, wie ich es getan habe. Weil ich einfach auf diese Lernprozesse nicht verzichten möchte. Wenn Sie die Chance hätten mit jeman<strong>de</strong>n zu tauschen, wer könnte das sein? Ich möchte gern bei mir bleiben, ich möchte nicht tauschen. Was für mich eine zen trale Rolle in meinem Leben spielt, ist <strong>de</strong>r Glaube. Daraus ziehe ich viel Kraft . Denn es gibt natürlich auch Zeiten, in <strong>de</strong>nen man es schwerer hat. Und mit dieser Kraft fin<strong>de</strong>n sich auch immer wie<strong>de</strong>r Wege, die weiter führen. Apropos schwere Zeit: Sie sagten ja, aus Krisen könne man etwas lernen. Was haben Sie aus <strong>de</strong>r Krise 2008/ 2009 gelernt? Das Wichtigste ist die Erkenntnis, wie wertvoll und kostbar die Mitarbeiter sind. Aber das ist nicht etwas, was wir neu gelernt ha- Spektrum • menSchen ben, son<strong>de</strong>rn etwas, was hier wirklich seine eindrückliche Bestätigung gefun<strong>de</strong>n hat. Außer<strong>de</strong>m konnte man lernen, wie wichtig verantwortungsbewusstes Han<strong>de</strong>ln ist. Das heißt? Nun, etwa dass man entsprechen<strong>de</strong> Rücklagen bil<strong>de</strong>t. Dass die Eigenkapital<strong>de</strong>cke <strong>de</strong>n Verhältnissen <strong>de</strong>s Unternehmens entspricht. Meine Tochter sagt immer: Man braucht etwas Speck im Kästle. Und Innovation natürlich – Innovation, Innovation, Innovation. Wir haben in dieser Zeit, als es so zurück ging, unsere Entwicklungsleistung nicht zurück genommen. Im Gegenteil – wir haben sie vorangetrieben. Wenn Sie jetzt einen Blick in die Zukunft wagen: Wie sieht die aus? Ich wünsche mir für unser Unternehmen ein gesun<strong>de</strong>s Wachstum durch innovative Produkte, Lösungen und Systeme. Was mich sehr dankbar macht, ist dass meine bei<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>r im Unternehmen sind. Und dass bei<strong>de</strong> nicht nur das nötige Wissen aufgebaut und sich die Fähigkeiten erarbeitet haben, son<strong>de</strong>rn auch Herz für ihre leiten<strong>de</strong>n Aufgaben einbringen. Sie stehen mit so viel Liebe hinter <strong>de</strong>m Unternehmen. Das ist etwas, was mich sehr zuversichtlich macht. Zum Abschluss: Was machen Sie, wenn Sie einmal nicht an die Arbeit <strong>de</strong>nken? Ich liebe Musik und gehe gerne in Konzerte. Ich wan<strong>de</strong>re gerne, egal ob auf <strong>de</strong>r Schwäbischen Alb o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Alpen. Und auch Lesen gehört zu meinen Lei<strong>de</strong>nschaften. Autor Das Interview führte <strong>de</strong>r Leiten<strong>de</strong> Chefredakteur Wolfgang Kräußlich 3/2012 21