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Reviews 171<br />
licher Identität. Parallel dazu vollzog sich in der alltagssprachlichen Kommunikation,<br />
aber auch im Bereich der literarischen Schriftsprache eine tiefgreifende<br />
Arabisierung (S. 133–152). Methodisch geht Aillet hier neue Wege, indem er erstmals<br />
das bislang weitgehend unbeachtete Material der arabischen Marginalglossen<br />
in lateinischen Handschriften andalusischer Provenienz auswertet. Durch<br />
paläographische Untersuchungen sowie über inhaltliche Analysen der Glossen<br />
gelingt es Aillet so für zahlreiche Handschriften, die in der bisherigen Forschung<br />
ins 12. Jahrhundert datiert und in den Kontext des christlich beherrschten<br />
Toledo verortet wurden, eine teilweise bis ins 9. Jahrhundert zurückreichende<br />
Vorgeschichte aufzuzeigen (S. 153–175).<br />
Der zweite Abschnitt dieses Großkapitels ist schließlich der arabisch-sprachigen<br />
literarischen Produktion der andalusischen Christen gewidmet (S. 177–246).<br />
Einleitend rekonstruiert Aillet den Diskurs innerhalb der mozarabischen Gemeinde<br />
in al-Andalus über den sich vollziehenden Sprachwandel, der in verschiedenen<br />
lateinischen wie arabischen Quellen aus der Mitte des 9. Jahrhunderts<br />
dokumentiert ist. Hier zeigt Aillets methodische Entscheidung, „Mozarabertum“<br />
durch die Betrachtung von Abgrenzungsdiskursen zu fassen, ihre Tragfähigkeit:<br />
Überzeugend kann er die divergenten Positionen etwa eines arabophoben<br />
Paulus Alvarus von Córdoba und eines von der Ausdrucksstärke und<br />
Schönheit des Arabischen überzeugten 0afs b. Albar als zwei unterschiedliche,<br />
jedoch gleichwertige und komplementäre Akkulturationsstrategien angesichts<br />
des beschleunigten kulturellen Wandels im umaiyadischen Emirat integrieren.<br />
Den in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts weitgehend abgeschlossenen Übergang<br />
der „mozarabischen“ Schriftlichkeit vom Lateinischen zum Arabischen<br />
deutet Aillet als eine „translatio studii“, als ein Fortleben römisch-westgotischer<br />
Bildungs- und Traditionsmuster in gewandelter sprachlicher Form. Die<br />
Arabisierung der „Mozaraber“ erschöpfte sich, wie Aillet anhand einer theologiegeschichtlichen<br />
Fallstudie weiter zeigen kann, nicht im reinen Sprachwechsel,<br />
sondern setzte die Übernahme einer neuen kulturellen Semantik voraus. Diese<br />
aber wurde den mozarabischen Autoren nicht etwa ausschließlich über muslimische<br />
Kanäle vermittelt; vielmehr weisen Aillets Ergebnisse auf die Bedeutung<br />
des bislang zu wenig beachteten orientchristlichen Einflusses hin. In der vor allem<br />
in Textübersetzungen greifbaren Verbindung der christlichen Traditionsbestände<br />
mit der arabischen Sprache sieht Aillet zudem Hinweise auf eine frühe<br />
Sonderform der andalusischen ˇsu^ubiya (S. 185).<br />
Das dritte Großkapitel, das freilich im Vergleich zu den anderen beiden<br />
Hauptabschnitten des Buches nur noch relativ wenig Raum einnimmt, behandelt<br />
schließlich Ausprägungen und Zeugnisse eines Mozarabertums, das im Zuge von<br />
Migration, Reconquista oder Kulturtransfer aus seinem arabisch-muslimisch geprägten<br />
Entstehungsumfeld in al-Andalus herausgetreten ist und sich im christ-