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ßung der Medresen, Schriftreform etc.) erlaubten es schließlich, „die Religion dem<br />

Staat und das Religiöse der sonstigen Lebensführung unterzuordnen“ (S. 27). „Die<br />

Säkularisierung der Gesellschaft war aber nicht annähernd so erfolgreich wie die<br />

Laizisierung des Bildungssystems“, hält Nohl fest, um überzuleiten zu jenen<br />

Schritten, mit denen die Regierung dem Islam sunnitischer Prägung im nach wie<br />

vor laizistischen Bildungssystem wieder mehr Gewicht einräumte: Imam-Hatip-<br />

Schulen seit 1951, Zulassung von Frauen darin, Zulassung der Imam-Hatip-Absolventen<br />

an Universitäten, Einführung von Religion als Wahlfach in säkularen Schulen.<br />

Ebenfalls in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebt die Türkei eine<br />

starke Industrialisierung und Binnenmigration. Nohl illustriert diese Entwicklungen<br />

wie auch den Ausbau des Schulsystems mit Zahlen, um dann aber lediglich<br />

festzustellen, die Schulen hätten „keine Chance [gehabt], mit dem rasanten Bevölkerungswachstum<br />

mitzuhalten“ (S. 37). An diesem Punkt wären zwei, drei Absätze<br />

willkommen gewesen, die skizzieren, inwieweit der soziale Wandel mit der verstärkten<br />

Präsenz der Religion im Bildungssystem zu tun hat und welche Folge die<br />

Überforderung des Schulsystems für die Gesellschaft hat.<br />

Unter den fünf Beiträgen des Kapitels „Bildung, Reform und Wandel“ sind<br />

zwei interessant. Müge Ayan Ceyhan (S. 79–93) berichtet aus einer Primarschule<br />

in Ankara (von ihr Bakık-Schule genannt), an der sie 2002 bis 2004 als Verantwortliche<br />

für Forschung und Entwicklung tätig war. Hier wurde eine so genannte<br />

schülerzentrierte Pädagogik erprobt, bevor die regierende AKP ab 2004 erst in<br />

Pilotprojekten, dann landesweit eine Reform mit demselben Etikett durchführte.<br />

Die Autorin arbeitet nicht nur anschaulich die Unterschiede zwischen der<br />

Pädagogik der Bakık-Schule und herkömmlichen Schulen heraus. Sie reflektiert<br />

anhand zweier Szenen eines Schulausflugs auch das Grundproblem jeglicher<br />

Reformpädagogik: Wie kann eine Lehrerschaft, die noch in einem alten System<br />

geprägt wurde, der jungen Generation glaubhaft einen neuen Weg weisen? Der<br />

Beitrag von Annegret Warth (S. 121–143) verlässt das Bildungssystem im engeren<br />

Sinn und widmet sich dem „freiwilligen Engagement in der ausserschulischen Jugendarbeit“<br />

(so der Titel). Dieser Bereich ist zahlenmässig noch verschwindend<br />

klein, die Aktivitäten darin angestossen durch Impulse von außen (Europarat,<br />

EU, UNO-Organisationen, private Stiftungen). Anhand von Interviews mit<br />

Jugendlichen in Samsun und Istanbul kann die Autorin jedoch zeigen, dass Jugendorganisationen<br />

einen wichtigen alternativen Sozialisationsort neben den<br />

üblichen bieten: „Räume mit Ressourcen, in denen sie eigeninitiativ und tendenziell<br />

selbstbestimmt Bereiche ihres Aufwachsens mitgestalten und aktiv Verantwortung<br />

übernehmen können“ (S. 140).<br />

Im Kapitel „Bildung und Islam“ bietet Bekim Agai (S. 177–196) über weite<br />

Strecken eine Zweitverwertung seiner Dissertation Zwischen Netzwerk und Diskurs:<br />

Das Bildungsnetzwerk um Fethullah Gülen (2004). Schön arbeitet er heraus,

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