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Reviews 231<br />
In zwei Aufsätzen beschäftigen sich Pierre-Jean Luizard (S. 255–280) sowie Peter<br />
Harling und Hamid Yassin Nasser (S. 281–302) mit der seit 2003 im Irak aufgekommenen<br />
und an Einfluss gewinnenden Bewegung um Muqtada as-Sadr.<br />
In beiden Aufsätzen werden die Neuartigkeit und gleichzeitige Polysemie des<br />
‚sadristischen Trends‘ betont, der sich im irakisch-nationalen und im schiitischen<br />
Kontext formiert. Während Luizard eher den politischen Integrations- und<br />
Strategieprozess der Sadristen im Irak untersucht, versuchen Harling und Nasser<br />
die Bewegung in einem theologischen, gesellschaftlichen und transregionalen<br />
Kontext zu verorten, in dem ihre aktivistische Motivation als Fortsetzung<br />
einer schiitischen theologischen Debatte betrachtet wird, und ihre Mobilisierungskräfte<br />
innerhalb der sozialen Klassenstruktur des Iraks analysiert werden.<br />
In beiden Aufsätzen wird ein gewisser Annäherungsprozess zwischen den Sadristen<br />
und dem Iran beobachtet, dessen Ausmaß aber noch nicht abschließend<br />
geklärt werden kann. Die Entstehung einer neuen transnationalen schiitischen<br />
Elite und neuer Netzwerke beobachtet Mariam Abou Zahab (S. 303–320) anhand<br />
schiitischer madrasas für Frauen in Pakistan, in denen der iranische Einfluss<br />
zwar sichtbar ist, aber nicht mehr auf den Export des iranischen Revolutionsmodells,<br />
sondern eher auf die Entstehung eines transnationalen Netzwerks ausgerichtet<br />
ist.<br />
In ihrem Aufsatz „Transnational Intellectual Debates“ (S. 321–346) geht Sabrina<br />
Mervin auf gegenwärtige Debatten innerhalb des schiitischen Klerus und<br />
religiösen Intellektuellen im transnationalen Rahmen ein. Obwohl eine klare Verortung<br />
der verschiedenen „currents and tendencies“ schwierig ist (S. 322), sieht<br />
Mervin dennoch auf der einen Seite einen ideologisch-modernistischen Diskurs<br />
vieler Kleriker, der sich vor allem gegen westlichen Einfluss und Politik wendet,<br />
während sich auf der anderen Seite eine humanistisch und transnational ausgerichtete,<br />
„neue“ Theologie formiert, deren Fokus vor allem auf einer Annäherung<br />
sowohl an moderne Fragestellungen als auch moderne Methoden liegt.<br />
Gegenwärtige Vertreter dieser neuen Theologie im Iran werden im vierten<br />
Teil des Sammelbandes behandelt, der in der englischen Ausgabe nicht enthalten<br />
ist. Sara Shari^ati, Mohsen Mottaghi, Sabrina Mervin und Christian Yahya<br />
Bonaud beschäftigen sich mit Vertretern moderner iranischer Diskurse wie ^Al\<br />
Åar\^at\ (S. 327–346), 0asan Yusof\ Eˇskevar\ (S. 347–356), ^Abdolkar\m Soruˇs<br />
(S. 357–380), Mo1sen Kad\var (S. 417–430) und Mostafa Malekiyan (S. 431–456),<br />
wobei es sich hierbei zu einem großen Teil um Interviews handelt. Ashk P. Dahlén<br />
beschäftigt sich in seinem Aufsatz wiederum allgemeiner (S. 381–416) mit den<br />
gegenwärtigen kontroversen Debatten und der religiösen Pluralität unter den iranischen<br />
Intellektuellen.<br />
Der vorliegende Sammelband fällt in erster Linie dadurch auf, dass er eine<br />
lang fällige Bestandsaufnahme der verschiedenen schiitischen Welten und ihrer