Zwischen Mnemotechnik und Sammlungstheorie - Seminar für ...
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Quintilian 386 schreibt in seiner Schrift Institutio oratoria libri XII, dass das<br />
natürliche, bereits vorhandene, gute Gedächtnis durch mnemotechnische<br />
Methoden gestärkt oder vermehrt werden könne. Das Wesen einer lehrbaren<br />
Kunst aber, mit der jede Gedächtnisleistung, egal in welchem Zustand sich das<br />
Gedächtnis befände, gestärkt werden könne, spricht er diesen Methoden ab. 387<br />
Orte <strong>und</strong> Bilder zur Unterstützung des Gedächtnisses seien von Nutzen, wenn<br />
innerhalb kürzester Zeit, quasi nach einmaligem Hören, Informationen gemerkt<br />
<strong>und</strong> wiedergeben werden müssten. 388 Somit sieht er in der <strong>Mnemotechnik</strong> wenig<br />
Nutzen <strong>für</strong> Rhetoren, die lange Reden erlernen müssten. Seiner Meinung nach<br />
lenkten „fremde“ Bilder die Aufmerksamkeit lediglich ab. Er empfiehlt daher die<br />
Aufteilung des Stoffes in Sinneinheiten, 389 unter Verwendung bestimmter<br />
Zeichen. 390 Darüber hinaus empfiehlt er lediglich die zu erlernenden Dinge zu<br />
notieren <strong>und</strong> auswendig zu lernen. Der Gesichtssinn sei, so Quintilian,<br />
391<br />
ausgeprägter als der Hörsinn, obwohl gegen lautes Memorieren bei<br />
Zerstreutheit nichts spräche. Eine Rede solle, um sie leicht erlernen zu können,<br />
gut durchkomponiert sein, damit sie das Gedächtnis nicht überlaste. <strong>Zwischen</strong> den<br />
Wiederholungen des zu erlernenden Stoffes sei die Einhaltung von Zeitintervallen<br />
sinnvoll. 392 Insgesamt solle eine Rede dennoch nie auswendig gelernt klingen,<br />
sondern immer wie ein spontaner Vortrag. Die höchste Gedächtniskunst beruhe,<br />
so Quintilian, auf Übung <strong>und</strong> Fleiß. 393<br />
386<br />
Marcus Fabius Quintilianus aus der römischen Provinz Hispania Tarraconensis war der<br />
berühmteste Professor <strong>für</strong> Rhetorik in Rom. Er hatte unter Kaiser Domitian (81-96 n.Chr.)einen<br />
öffentlich besoldeten Lehrstuhl inne. Er starb um 98 n.Chr..<br />
Entnommen Helmut Rahn (Hg.), Vorwort zu Marcus Fabius Quintilianus: Institutio Oratoriae<br />
libri XII, Teil 1, Darmstadt 1971, S. XI. Herman Bender: Rom <strong>und</strong> römisches Leben im Altertum,<br />
Tübingen 1893, S. 476.<br />
387<br />
„Memoriam quidam naturae modo esse munus existimaverunt, estque in ea non dubie<br />
plurimum, sed ipsa excolendo sicut alia omnia augetur...“ <strong>und</strong> „...neque ero tam credulus, ut,<br />
quom habitu tardiorem firmioremque memoriam fieri, ei artem quoque audeam<br />
impertire.“<br />
Quintilianus, Marcus Fabius: Institutio Oratoriae libri XII, XI,ii,1 <strong>und</strong> 4.<br />
388<br />
Vgl. Quintilianus: Institutio Oratoriae libri XII, XI, ii, 23-24. Quintilian gibt hier Beispiele<br />
<strong>und</strong> sagt weiterhin: „Equidem haec ad quaedam prodesse non negaverim, ut si rerum nomina<br />
multa per ordinem audita reddenda sint.“ <strong>und</strong> „ Minus edit proderit in ediscendis, quae orationis<br />
perpetuae erunt.“<br />
389<br />
„...proderit per partes ediscere...“<br />
Quintilianus: Institutio Oratoriae libri XII, XI, ii, 27.<br />
390<br />
„dandi sunt certi quidam termini, ut contextum verborum, qui est difficilimus, conitnua et<br />
crebra meditatio, partis deinceps ipsas repetitus ordo coniungat“<br />
Quintilianus: Institutio Oratoriae libri XII, XI, ii, 28.<br />
391<br />
Vgl. Quintilianus: Institutio Oratoriae libri XII, XI, ii, 34.<br />
392<br />
Vgl. Quintilianus: Institutio Oratoriae libri XII, XI, ii, 43.<br />
393<br />
„“exercitatio est et labor“<br />
Quintilianus: Institutio Oratoriae libri XII, XI, ii, 40.<br />
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