Zwischen Mnemotechnik und Sammlungstheorie - Seminar für ...
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Reliquien waren im Bestand dieser Sammlungen. Allerdings lässt die Anzahl der<br />
gesammelten Gegenstände darauf schließen, dass nicht alle diese Dinge immer<br />
<strong>und</strong> gleichzeitig im Gebrauch waren bzw. sein konnten. Auch das kostbare<br />
Material der Objekte lässt von einem täglichen Gebrauch der Dinge absehen.<br />
Ein Aspekt dieser Sammlungen sei, so Pomian, die Schatzbildung, denn es sei in<br />
Inventaren belegt, dass Objekte veräußert wurden <strong>und</strong> zur Deckung<br />
verschiedenster Ausgaben des <strong>für</strong>stlichen oder königlichen Hauses dienten. 421<br />
Darüber hinaus gibt Pomian die Verwendung gesammelter Schätze <strong>für</strong><br />
repräsentative Zwecke an <strong>und</strong> belegt dies mit einer historischen Schilderung des<br />
Einzugs Karl VII. von Frankreich in Paris 1437. 422<br />
Daston <strong>und</strong> Park sehen dies ähnlich. Sie bezeichnen die mittelalterlichen<br />
Sammlungen als „Repositorien von Reichtum <strong>und</strong> magischer <strong>und</strong> symbolischer<br />
Macht“. 423 Darüber hinaus betonen sie, dass es keine Belege da<strong>für</strong> gäbe, dass<br />
Objekte dieser Sammlungen „aus Gründen der Erkenntnis oder der<br />
philosophischen Betrachtung geschätzt wurden“ 424 . Ebenso wenig zeigten<br />
mittelalterliche Inventare oder Beschreibungen der Schätze, so die Autorinnen,<br />
„Interesse an der Klassifizierung oder an der Herstellung von Beziehungen<br />
zwischen den Objekten“ 425 . Betont würden bei den Objekten die Kostbarkeit der<br />
Materialien, ihr Wert in Geld oder ihre Herkunft. Mittelalterliche Sammlungen<br />
waren Schatzkammern thesauri. Sie dienten repräsentativen Zwecken <strong>und</strong><br />
symbolisierten <strong>und</strong> repräsentierten Reichtum, Macht aber auch Magie.<br />
Die Sammlungen wurden, wie bereits bei Pomian geschildert, bei Zeremonien,<br />
Prozessionen oder Feierlichkeiten zur Schau gestellt <strong>und</strong> bezeugten den<br />
finanziellen Reichtum des jeweiligen Besitzers <strong>und</strong> damit auch seine Macht.<br />
Neben dem Reichtum faszinierte die Menschen die „Magie“ der Objekte. Die<br />
Menschen wussten um die W<strong>und</strong>erkraft der Reliquien 426 , kannten die<br />
421 Vgl. Pomian: Der Ursprung des Museums, S. 33.<br />
422 Vgl. Pomian: Der Ursprung des Museums, S. 35f.<br />
423 Als Beleg führen Daston <strong>und</strong> Park den Schatz der französischen königlichen Abtei Saint-Denis<br />
an, die neben den bei Pomian genannten Objekten bereits einige Mirabilia <strong>und</strong> Exotica beinhaltete,<br />
die, so Daston <strong>und</strong> Park, um ihrer selbst willen gesammelt wurden.<br />
Daston / Park: W<strong>und</strong>er <strong>und</strong> die Ordnung der Natur, S. 81.<br />
424 Daston / Park: W<strong>und</strong>er <strong>und</strong> die Ordnung der Natur, S. 84.<br />
425 Daston / Park: W<strong>und</strong>er <strong>und</strong> die Ordnung der Natur, S. 85.<br />
426 Das Sammeln von Reliquien war seit der Spätantike im gesamten christlichen Raum verbreitet.<br />
Es handelte sich bei Reliquien um Fragmente sowohl besonderer oder heiliger toter Körper als<br />
auch besonderer <strong>und</strong> seltener Dinge die in Verbindung mit diesen Heiligen Menschen standen, wie<br />
ein Stück Holz aus dem Kreuze Christi u.ä.. Diese Fragmente wurden genauso geheiligt, als wäre<br />
es der Heilige. Die Reliquie sollte bei Schmerz, Missgeburt, Unglück o.ä. helfen, andererseits<br />
sorgten sie <strong>für</strong> Beistand.<br />
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