Zwischen Mnemotechnik und Sammlungstheorie - Seminar für ...
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Diese Abkehr von der oft als gekünstelt bezeichneten <strong>Mnemotechnik</strong> des<br />
Altertums setzte sich mit bzw. nach Quintilian fort.<br />
Ein weiterer Autor ist hier zu nennen, der mit seinen kombinatorischen Systemen<br />
das Schrifttum besonders der Renaissance beeinflusste: Ramon Lull. 394 In der<br />
Schrift Liber ad memoriam confirmandam, welche Ramon Lull zugeschrieben<br />
wird, macht der Autor seinen Standpunkt zur <strong>Mnemotechnik</strong> deutlich. In ihr<br />
unterteilt er, wie in der klassischen Rhetorik, das Gedächtnis in einen natürlichen<br />
<strong>und</strong> künstlichen Teil, 395 was den Anweisungen in der Schrift Ad Herennium<br />
entspricht. Er macht Angaben zum Nutzen der Medizin <strong>für</strong> die Verbesserung des<br />
Gedächtnisses <strong>und</strong> unterstreicht die Notwendigkeit von Wiederholen <strong>und</strong> Üben.<br />
Alle weiteren klassischen Regeln werden von ihm übergangen. 396<br />
Aus einem weiteren Gr<strong>und</strong> ist Lull <strong>für</strong> unsere Thematik interessant. Lull<br />
entwickelte ein System, das anhand der Kombination von Begriffen in der Lage<br />
sein sollte, einen Beweis der christlichen Glaubensinhalte, insbesondere der<br />
Dogmen der Inkarnation <strong>und</strong> Trinität, mittels rationalem Denken <strong>und</strong> ohne die<br />
Notwendigkeit des Glaubens zu erbringen. 397 Eine kurze Zusammenfassung soll<br />
hier anhand der von ihm verfassten Schrift Ars brevis gegeben werden, die er<br />
sozusagen als Schlüssel <strong>und</strong> zum besseren Verständnis des von ihm entwickelten<br />
ausführlichen Systems geschrieben hat. 398 Sein System ist aufgebaut auf<br />
Prinzipien <strong>und</strong> Figuren, deren Gr<strong>und</strong>lage die sogenannten dignitates, die<br />
Gr<strong>und</strong>würden Gottes sind: Bonitas, Magnitudo, Aeternitas, Potestas, Sapientia,<br />
Voluntas, Virtus, Veritas <strong>und</strong> Gloria. 399 Diese Gr<strong>und</strong>würden sind nach Lull in<br />
Gott nicht zu unterscheiden, in der Schöpfung hingegen sehr wohl, so dass sie in<br />
Insgesamt ging auch Quintilian von der Einteilung der Rhetorik in die 5 Teile aus: „„inventione,<br />
dispositione, elocutione, memoria, pronuntiatione sive actione...“ <strong>und</strong> er verteidigte diese im<br />
dritten Kapitel seines dritten Buches der Rhetorik.<br />
Quintilianus: Institutio Oratoriae libri XII, III, iii.<br />
394 Ramon Lull wurde 1235 auf Mallorca geboren, er starb 1316.<br />
395 „Venio igitur ad sec<strong>und</strong>am, scilicet ad memoriam. Quae quidem sec<strong>und</strong>um antiquos in capitulo<br />
de memoria alia est naturalis, alia est artificialis.“<br />
Madre, A. <strong>und</strong> Lohr, Ch.: Pseudo-Raim<strong>und</strong>us Lullus, Liber ad memoriam confirmandam: Zeuge<br />
der lullistischen Tradition an der Wende des 15./16. Jahrh<strong>und</strong>erts. In: Studia Lulliana, Vol.<br />
XXXVI, 1996, Nr. 92. Mallorca 1996, S.117.<br />
396 Vgl. Madre, A. <strong>und</strong> Lohr, Ch.: Pseudo-Raim<strong>und</strong>us Lullus, Liber ad memoriam<br />
confirmandam, S. 117f.<br />
397 Fidora, Alexander (Hg.): Raim<strong>und</strong>us Lullus, Ars brevis (= Philosophische Bibliothek, Bd.<br />
518). Hamburg 1999, S. XIff.<br />
398 „Ratio, quare facimus istam Artem brevem, est, ut Ars magna facilius sciatur. Nam scita ista,<br />
Ars dicta supra et etiam aliae Artes de facili poterunt sciri et addisci.“<br />
Lullus, Raim<strong>und</strong>us: Ars brevis, De Prologo.<br />
399 Lullus: Ars brevis, De prima parte, Alphabetum.<br />
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