Brennpunkt Esoterik - AGPF
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6 Okkultismus<br />
Menschen vieles unbekannt und verborgen ist und schreiben sich ein Wissen und auch<br />
Macht über das Unbekannte und Verborgene zu. Dies mag ihren Wünschen entsprechen,<br />
nicht aber der Wirklichkeit.<br />
<strong>Esoterik</strong>er behaupten, durch außergewöhnliche Mittel Zugang zu diesem Verborgenem<br />
zu haben, und schreiben besonders Qualifizierten (Medien, Sensitiven, Sehern<br />
etc.) sogar die Fähigkeit zu, dieses Verborgene manipulieren oder gar beherrschen zu<br />
können. Okkultismus ist deshalb regelmäßig mit Macht, genauer Machtphantasien verbunden.<br />
Für jede Darstellung und Erörterung des Okkultismus und der <strong>Esoterik</strong> ist es wichtig,<br />
sich deutlich klar zu machen, dass nicht die Vorgänge und Praktiken für sich okkult sind, sondern<br />
durch die mit diesen verbundenen Vorstellungen okkult werden. Es handelt sich mithin<br />
jedesmal um die Deutungen, die einem Vorgang, einer Handlung oder einer Vorstellung<br />
beigelegt werden, die diese okkult machen.<br />
Die heutige Verwendung des Begriffes Okkultismus geht wahrscheinlich auf Eliphas<br />
Levi (A. L. Constant 1810-1875) zurück, der ihn von Agrippa von Nettesheim (1486-<br />
1535) übernommen hat – allerdings mit einer Bedeutungsverschiebung. Die bisher älteste<br />
mir bekannte Verwendung des Substantivs „<strong>Esoterik</strong>“ stammt aus dem Jahr<br />
1828; das Adjektiv, auch im Gegensatz zu exoterisch, wurde bereits in der Antike gebraucht.<br />
1<br />
Als Gründungsdatum des modernen Okkultismus findet man immer wieder das Jahr<br />
1848 angegeben, als die Geschwister Fox in Hydesville im Staate New York merkwürdige<br />
Klopfgeräusche in ihrem Haus als Mitteilungen eines Totengeistes deuteten.<br />
Diese Deutung wurde von einem glaubensbereiten Publikum bereitwillig aufgenommen<br />
und beibehalten selbst, als Margarete Fox später öffentlich zugab und vorführte,<br />
wie sie das Publikum irregeführt hatten. 2 Die Annahme okkulter Lehren und Vorstellungen<br />
verweist darauf, dass eine Bereitschaft, esoterische und okkulte Vorstellungen<br />
und Praktiken zu übernehmen, bereits bestanden hat. Vorbereitet war diese sicherlich<br />
durch die Schriften von E. Swedenborg (1688-1772) und Praktiken von A. Mesmer<br />
(1734-1815), der den sog. Tierischen Magnetismus erfunden hat, und vielen anderen.<br />
Einen ersten Gesamtentwurf hat H. P. Blavatsky (1831-91) in ihrem Werk „Die Geheimlehre“<br />
(4 Bde, Den Haag, o.J.) vorgelegt; dieser ist freilich Torso geblieben.<br />
Im Untertitel der „Geheimlehre“ bezeichnet sie diese programmatisch als „Vereinigung<br />
von Wissenschaft, Religion und Philosophie“. Diese verspricht, alle Religionen<br />
zu versöhnen; sie „entkleidet jede ihrer äußeren, menschlichen Gewänder, und zeigt<br />
1<br />
Es ist natürlich ein Problem, unter einem Begriff die Schriften von Autoren, Vorstellungen und Praktiken<br />
von Personen zusammenzustellen, die diesen Begriff selber nicht verwandten und nicht kannten.<br />
In der Religionswissenschaft, Ethnologie und anderen Sozialwissenschaften wird dies heute<br />
äußerst kritisch gesehen und eher verworfen. Da ich mich mit Personen und Gruppen befasse, die<br />
die Begriffe Okkultismus und <strong>Esoterik</strong> auch als Eigenbezeichnung verwenden, stellt sich dieses Problem<br />
hier nicht.<br />
2 Margarete Fox legte am 28.9.1888 die Tricks offen. Zu den Täuschungen vgl. Hans-Gerhard Stumpf:<br />
Entgeistert, München 1991 (zu Slade S. 40); O. Prokop und W. Wimmer: Der moderne Okkultismus,<br />
Stuttgart 1987; Hans Binder (Hg.): Macht und Ohnmacht des Aberglaubens, Pähl (Obb.) 1993.