Brennpunkt Esoterik - AGPF
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50 Okkultismus<br />
macht. Dies aber setzt ein Bekenntnis zu einem Glauben voraus, das mit den Grundsätzen<br />
und Methoden der Wissenschaft nicht zu vereinbaren ist. Allenfalls könnte als Kriterium<br />
auf den geschichtlichen Prozess verwiesen werden, in dem bestimmte Vorstellungen<br />
als unzulänglich und in ihren sozialen Konsequenzen für ein friedliches Zusammenleben<br />
von Menschen sich als abträglich erwiesen haben. Doch sollte auf den<br />
polemischen Begriff Aberglaube in der Religionswissenschaft wie anderen Geschichts-<br />
und Sozialwissenschaften verzichtet werden. 92 Mit dem Begriff der Magie<br />
verhält es sich nicht viel besser. Klare Kriterien, um Magie von Religion zu unterscheiden,<br />
sind zwar immer wieder versucht worden, aber bisher vergeblich geblieben.<br />
Mit Magie wird seit der Antike die Religion des anderen bezeichnet und dabei abgewertet<br />
und seinen Anhängern wie im Neuen Testament Asozialität und Unmoralität<br />
zugeschrieben. Von einem christlichen Standpunkt aus, könnte man die <strong>Esoterik</strong> und<br />
den modernen Okkultismus Magie nennen, aber damit würde man sich zum einen die<br />
christlichen Maßstäbe zu eigen machen, zum anderen stellt sich die Frage, welchen Erkenntnisgewinn<br />
eine solche Bezeichnung bringt, da sich nicht angeben lässt, wodurch<br />
sich Religion von Magie unterscheidet. 93<br />
Spiritualität schließlich ist in esoterischen und okkulten Texten zu einem Zauberwort<br />
geworden, mit dem etwas benannt werden soll, von dem jedoch unklar ist, was es<br />
denn wirklich sei. Das Wort Spiritualität ist von lat. spiritus: Geist, Hauch, Seele abgeleitet.<br />
Der Begriff Geist, der in der europäischen Tradition der Religion und Philosophie<br />
eine wichtige Rolle spielt, taucht zwar in vielen Titeln auf, aber den in der Theologie<br />
und Philosophie unternommenen Bestimmungen des Geistes wird in der <strong>Esoterik</strong><br />
konsequent ausgewichen. Man erhält den Eindruck, dass mit dem Ausdruck<br />
Spiritualität etwas bezeichnet wird, welches aber nicht genau bestimmt werden soll<br />
oder kann. Nicht in allen Religionen ist explizit von Geist die Rede, eine Konzeption<br />
Gottes als Geist ist z.B. im Judentum und als Heiliger Geist im Christentum ausgearbeitet<br />
worden. Andere Religionen, wie z.B. die antike griechische oder römische, verbinden<br />
mit ihren Göttern nicht die Vorstellung des Geistes.<br />
Der Ausdruck Spiritualität unterstellt, dass in allen Religionen ein Geist aufzuweisen<br />
sei. Insofern alle Religionen Taten des kollektiven menschlichen Geistes darstellen, hat<br />
dies auch eine gewisse Richtigkeit, insofern freilich auch gefragt werden muss, ob<br />
diese Kulturen ihre Religionen selber als geistige Schöpfungen und die Götter bewusst<br />
als Geist konzipieren, muss diese Frage verneint werden. Wenn in der <strong>Esoterik</strong> und im<br />
Okkultismus eine bewusste Spiritualität in allen religiösen Bildungen aufgesucht<br />
wird, dann wird hier ein für das Christentum spezifisches Moment der Gottesvorstellung<br />
auf alle Religionen übertragen.<br />
92<br />
Vgl. B. Gladigow: Aberglaube, in: Handwörterbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe<br />
Bd. 1, Stuttgart 1988, s. 378f.<br />
93<br />
Vgl. H. Zinser: Der Markt der Religionen, München: Fink 1997, Kap. 6 „Was ist Magie?“