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Brennpunkt Esoterik - AGPF

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Warum Okkultismus?<br />

dernen wissenschaftlichen und demokratischen Weltbildes an Überzeugungskraft<br />

verloren hat und zugleich die von den Kirchen angebotenen Antworten nicht mehr angenommen<br />

werden. Für eine solche Wiederkehr spricht, dass tatsächlich ein Teil der<br />

okkulten Vorstellungen wie die Astrologie, das I-Ging und z.B. das Pendeln und andere<br />

Wahrsageverfahren tatsächlich aus vorindustriellen Gesellschaften stammen.<br />

Ebenso kann geltend gemacht werden, dass im New Age und seinem Umfeld eine<br />

„Rückkehr zum vormodernen Denken“ propagiert wird und die „einzige Hoffnung in<br />

der Wiederverzauberung der Welt“ gesehen wird. 113 Dagegen spricht allerdings, dass<br />

ein großer Teil der Praktiken des modernen Okkultismus mit Techniken und Vorstellungen<br />

hantiert (z.B. Tonbandstimmen, Kirlianphotographie usw), die erst auf der<br />

Basis der Erfindungen der Wissenschaft und Technik überhaupt verständlich sind. In<br />

jedem Falle sind diese Vorstellungen modernisiert und werden nun wie z.B. das Tarotkartenlegen<br />

mit einer meist an C. G. Jungs Psychologie angelehnten psychologischen<br />

„Begründung“ versehen. Ferner ist darauf zu verweisen, dass – entgegen zahlreichen<br />

Behauptungen – keine direkte Tradition aufzuweisen ist, vielmehr werden okkulte<br />

Praktiken und Vorstellungen, wie die Erhebungen von Zinser belegen, durch<br />

Lektüre aus Büchern und Zeitschriften angeeignet. Von einem Rekurs auf trotz der religiösen<br />

und wissenschaftlichen Kritik untergründig fortlaufende Vorstellungen und<br />

Praktiken kann allenfalls nur begrenzt die Rede sein.<br />

Viele Vorstellungen und Praktiken des modernen Okkultismus legen eher nahe, ihn<br />

als Resultat des Zerfallsprozesses eines Wissenschaftsglaubens anzusehen. Er will die<br />

Grenzen der Wissenschaften nicht wahrhaben und zu „anderen Wirklichkeiten“, einer<br />

„Anderswelt“ vordringen, diese aber nicht durch Arbeit in all ihrer Begrenztheit herbeiführen<br />

und ebensowenig sich mit einem religiösen Versprechen zufrieden geben.<br />

Hyperbolisch könnte man sagen, dass der moderne Okkultismus die „Größen- und<br />

Allmachtsphantasien“, die sich auch noch im Vernunftglauben aufweisen lassen,<br />

nicht aufgeben will. Er folgt geschichtlich dem wissenschaftlichen Weltbild sozusagen<br />

als Anhängsel und Nebenprodukt, das die für alle Wissenschaften notwendige Bescheidenheit<br />

nicht anerkennen und die damit gegebenen Spannungen nicht auszuhalten<br />

vermag.<br />

Die Verbreitung des Okkultismus spiegelt sicher auch den tagtäglich erfahrenen Widerspruch,<br />

dass mit Hilfe der Wissenschaft früher schier Unerreichbares, wie der Flug<br />

zum Mond möglich geworden ist, und doch jeder einzelne von diesen „realisierten<br />

Allmachtsphantasien“ ausgeschlossen ist und häufig nicht einmal die „kleinen“ Alltagsbedürfnisse<br />

befriedigt werden können. Okkultismus hat etwas mit Macht oder<br />

Machtphantasien zu tun. Um etwas okkult – verborgen machen zu können, muss man<br />

eine gewisse Macht haben. Es verschiebt sich aber die Macht von dem Prozess des Verbergens<br />

leicht auf das Verborgene, so dass Okkultisten den Eindruck haben oder sich<br />

und anderen vortäuschen, dass sie Macht über das Verborgene haben. Solche Machtphantasien<br />

werden, zumal Okkultismus keine Moral kennt, individuell und gesell-<br />

113<br />

Vgl. z.B. M. Berman: Die Wiederverzauberung der Welt, dt. Reinbeck bei Hamburg 1985, passim,<br />

S. 85.<br />

63

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