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Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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106<br />

Organisation als politische Bewegung<br />

In einer zweiten Phase (1989-2000) änderten<br />

sich die Strategien und Organisationsformen der<br />

neuen christlichen Rechten. Vor allem organisierten<br />

sie sich stärker als ,politische‘ Bewegung.<br />

Viele ihrer Führer waren nun Rechtsanwälte,<br />

Politiker oder Politikmanager; Geistliche<br />

und Prediger spielten nur noch eine untergeordnete<br />

Rolle. Auch ihre Aktionsformen veränderten<br />

sich. Waren sie zu Beginn noch stark bewegungsförmig<br />

(Massendemonstrationen, Protestkundgebungen<br />

oder Medienkampagnen) und auf<br />

die nationale Ebene focussiert, wurden nun deutlich<br />

differenziertere Strategien unter Berücksichtigung<br />

der Eigenheiten des politischen Systems<br />

der USA entwickelt, wie adressenorientierte<br />

Kommunikation, der Aufbau von think tanks,<br />

differenzierten Kooperationsformen, inhaltliche<br />

und strategischer Spezialisierung und Aufbau<br />

juridischer Organisationen. Eine ihrer zentralen<br />

Strategien war laut Brocker (S. 191) aber vor<br />

allem die Infiltration und Unterwanderung der<br />

Republikanischen Partei und die Wahlunterstützung<br />

republikanischer Kandidaten. Hier bietet<br />

Brocker detailiert und ausführlich Einblick in<br />

Erfolge und Mißerfolge der christlichen Rechten.<br />

Natürlich läßt sich deren Einfluss auf die<br />

Republikaner nicht präzise quantifizieren, wie<br />

relevant aber diese politische Verbindung zwischen<br />

Republikanern und christlicher Rechten<br />

ist, zeigt sich daran, dass George W. Bush mehr<br />

als ein Drittel seiner Stimmen aus dem Lager<br />

der ,Religiösen Rechten‘ erhielt. Auch bei kommunalen<br />

und einzelstaatlichen Referenden konnte<br />

die christliche Rechte in immerhin etwa über<br />

der Hälfte ihrer eigenen Initiativen erfolgreich<br />

sein, ebenso waren die Aktivitäten ihrer juridischen<br />

Organisationen durchaus erfolgreich: In<br />

Folge ihrer Interventionen beim U.S. Supreme<br />

Court wurden ebenfalls in mehr als der Hälfte<br />

ihrer Interventionen konservative Entscheidungen<br />

gefällt (Religion und öffentliches Schulwesen<br />

– staatliche Förderung von Konfessionsschulen<br />

– Abtreibung/ Geburtenkontrolle sind<br />

<strong>Forschungsjournal</strong> NSB, Jg. 17, 4/2004<br />

durch ausführliche Tabellen belegt; wie das<br />

Buch insgesamt durch detaillierte Statistiken,<br />

konkrete Organisationsbeschreibungen und biographische<br />

Ausführungen zu den wichtigsten<br />

Führern der Christlichen Rechten glänzt).<br />

Einfluss auf das politische System<br />

Wie aber ist nun der Einfluss der christlichen<br />

Rechten im politischen System der USA, auf<br />

die faktische Politik und die ideologische Hegemonie<br />

zu bewerten? Setzt man die Einzelbilder<br />

der vorliegenden Untersuchung zusammen,<br />

so zeigt sich das Bild einer wahlrelevanten, politisch<br />

aktiven oder mindestens aktivierbaren Bevölkerungsgruppe<br />

in den USA (Mittelstand,<br />

mäßig gebildet, weiß), die in ethischen Fragen<br />

gegen die Abtreibung, für die Todesstrafe, und<br />

intolerant gegenüber Homosexuellen eingestellt<br />

ist. Sie ist stark antikommunistisch oder marktradikal,<br />

optiert gegen einen Wohlfahrtssaat und<br />

ist von einem außen-, beziehungsweise sicherheitspolitischen<br />

Gnostizismus und Dualismus<br />

geprägt. Ihre Führer, oder die sie organisierenden<br />

,Bewegungsunternehmer‘ verfügen über<br />

erhebliche Kontakte und Netzwerke in politische,<br />

vor allem republikanische Kreise.<br />

Bitterer Nachgeschmack<br />

Das Fazit des Autors lautet unter anderem: Das<br />

fragmentierte und für pluralistische Einflussnahme<br />

relativ offene politische System der USA führt<br />

zu einer fortschreitenden Akkomodation von<br />

<strong>Bewegungen</strong> an das System der pluralistischen<br />

Intereressensrepräsentation. Eine allgemein hohe<br />

kulturelle Resonanz von Bewegungsthemen in<br />

der politischen Kultur der USA und bei den gesellschaftlichen<br />

Eliten ermöglicht die Unterstützung<br />

der <strong>Bewegungen</strong> (gleich ob liberale Menschenrechtsbewegung<br />

oder neue christliche Rechte)<br />

beim jeweiligen politischen Gegner und würde<br />

umgekehrt den Verlust dieser Unterstützung<br />

durch Radikalisierungstendenzen bedeuten (S.<br />

320): Der Einfluss der neuen christlichen Rechten<br />

ist erheblich, aber der gewaltenteilige Aufbau

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