Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Pulsschlag<br />
Gerade einige der jungen Mitgliedsländer<br />
verzeichneten bei der Parlamentswahl im Juni<br />
2004 ausgesprochen geringe Beteiligungsraten:<br />
Von den Beitrittsländern des 1. Mai gehörten<br />
lediglich Malta und Zypern zu der kleinen Gruppe<br />
von überhaupt nur sieben EU-Ländern, in<br />
denen mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten<br />
ihre Beteiligungschance nutzten. Am Beispiel<br />
der Neumitglieder ist darüber hinaus auffällig,<br />
dass in neun von zehn Fällen ein erheblicher<br />
Rückgang der Beteiligung von den Beitrittsreferenden<br />
hin zu den Parlamentswahlen zu verzeichnen<br />
war; dieses Partizipationsgefälle bewegte<br />
sich zwischen 7,1% in Ungarn und 38%<br />
in Polen.<br />
Sandra Huber und Markus Steinbrecher<br />
(Bamberg), die sich in ihrem Beitrag dem kontinuierlichen<br />
Rückgang der Wahlbeteiligung<br />
widmeten, interpretierten dies unter Bezugnahme<br />
auf das von Karlheinz Reif und Hermann<br />
Schmitt bereits anlässlich der ersten Direktwahl<br />
entwickelte Konzept der Europawahlen als ,second-order<br />
elections‘, also als Nebenwahlen mit<br />
geringerer Bedeutung gegenüber Hauptwahlen<br />
wie zum Beispiel Bundestagswahlen. Danach<br />
lässt sich die hohe Wahlabstinenz erklären als<br />
Ausdruck einer durchaus rationalen Einschätzung<br />
der unterschiedlichen Bedeutung einer<br />
,Ob‘-Entscheidung im Beitrittsreferendum und<br />
einer Entscheidung über das ,Wie‘ parlamentarischer<br />
Repräsentation in den späteren Parlamentswahlen.<br />
Fokus Wahlkampf<br />
Wahlkämpfe gehören traditionell zu den bevorzugten<br />
und fruchtbaren Studienobjekten im Bereich<br />
der politischen Kommunikationsforschung<br />
– insbesondere dort, wo die Untersuchungen<br />
empirisch ausgerichtet sind. Dieser<br />
Fokus hat nachvollziehbare Gründe: Als zeitlich<br />
begrenzte, ziel- und ergebnisorientierte<br />
Höhepunkte des politischen Lebens verdichten<br />
Wahlkämpfe politische Diskurse. Hinzu kommt,<br />
dass sie eine Fülle relativ gut zugänglichen und<br />
97<br />
verwertbaren Datenmaterials liefern (Schulz<br />
2003: 462).<br />
Ein Vergleich der Wahlkämpfe zum Europäischen<br />
Parlament mit anderen Wahlgängen lässt<br />
allerdings verschiedene Spezifika des ,Campaigning<br />
for Europe‘ deutlich werden. Das zeigte<br />
insbesondere der Tagungsbeitrag von Fredrik<br />
Langdal (Stockholm), der erste Ergebnisse aus<br />
einem europaweiten Forschungsprojekt präsentierte,<br />
das alle 25 Mitgliedsstaaten umfasst und<br />
die Mobilisierungs- und Kommunikationsstrategien<br />
in den Mittelpunkt stellt. Langdal konnte<br />
(primär anhand des schwedischen Beispiels) deutlich<br />
machen, dass sich Europawahlkämpfe als<br />
relativ kurze Ereignisse darstellen, die – insbesondere<br />
im Vergleich zu nationalen Parlamentswahlen<br />
– mit geringerer politischer Intensität und<br />
schmaleren Budgets geführt werden. Thematisch<br />
gilt, dass es zwar pro forma um Europa und die<br />
Mandatsverteilung im Europäischen Parlament<br />
geht, die Wahlkämpfe aber inhaltlich jeweils aus<br />
einer primär nationalstaatlichen Perspektive geführt<br />
und wahrgenommen werden.<br />
Einen Sonderfall innerhalb Europas stellte<br />
im Jahr 2004 allerdings Spanien dar: Rosa<br />
Berganza und Javier Beroiz (Madrid) haben die<br />
Auswirkungen der Terroranschläge vom 11.<br />
März 2004 in Madrid untersucht; und zwar sowohl<br />
auf die Parlamentswahlen in Spanien, die<br />
unmittelbar nach den Anschlägen am 14. März<br />
stattgefunden haben, als auch auf die etwa ein<br />
Vierteljahr später durchgeführten Wahlen zum<br />
Europäischen Parlament. Dabei konnten sie zeigen,<br />
dass die Anschläge in Spanien einen Umschwung<br />
in den Meinungsumfragen markierten,<br />
den Berganza/Beroiz als ,Rückkehr nach<br />
Europa‘ interpretierten.<br />
Politics first<br />
Den Kern der Professionalisierungsthese politischer<br />
Kommunikation (Tenscher 2003) bildet<br />
die Annahme, dass sich unter den Bedingungen<br />
von ‚medienzentrierten Demokratien‘ bei<br />
schrumpfenden Parteiloyalitäten eine wachsend