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Die Christliche Rechte in den USA als politischer Akteur<br />

3 Organisation und Strategie:<br />

Professionalisierung und<br />

Parteipolitik<br />

Die organisatorischen und strategischen Wandlungen<br />

und daraus hervorgehenden neuen politischen<br />

Impulse der Christlichen Rechten im<br />

Übergang von den 1980er zu den 1990er Jahren<br />

sind inzwischen vielfach dokumentiert und<br />

analysiert (Minkenberg 1998: 252-262, 341-<br />

347; Diamond 1998; Moen 1992).<br />

In der Aufbauphase ab Mitte der 1970er Jahre<br />

waren politische Aktivisten und Lobbyisten wie<br />

Paul Weyrich, Howard Phillips und Richard<br />

Viguerie, die auf jahrelanges Engagement in der<br />

Republikanischen Partei zurückblicken konnten,<br />

aber nicht dem konservativen mainstream<br />

zuzuordnen waren, ausschlaggebend. Sie etablierten<br />

eine Reihe von in Washington DC tätigen<br />

Lobby-Gruppen (Conservative Caucus,<br />

Free Congress Foundation) und bauten ein Netzwerk<br />

auf, das single issue-Gruppen wie die antifeministische<br />

Stop-ERA-Kampagne von Phylllis<br />

Schlafly und die Anti-Abtreibungsgruppen<br />

der Right-to-Life Bewegung miteinbezog.<br />

Schließlich stellten sie Verbindungen zu fundamentalistischen<br />

Geistlichen und Fernsehpredigern<br />

zur Mobilisierung der grass roots für ihre<br />

Politik her. Mit der Gründung von Jerry Falwells<br />

Moral Majority im Jahre 1979 schufen<br />

sie die größte und wichtigste Organisation der<br />

Christlichen Rechten in dieser Phase (Minkenberg<br />

1990: 110-126; Moen 1992: 15-32). Die<br />

enge Vernetzung des Spektrums und die Rolle<br />

der nationalen Eliten wird dadurch unterstrichen,<br />

dass viele Führungsfiguren Mitglieder in mehreren<br />

Organisationen der Christlichen Rechten<br />

waren bzw. sind (siehe Tabelle 1). Angaben über<br />

Mitgliederzahlen sind allerdings wenig verlässlich.<br />

So schwankten die Schätzungen zur Moral<br />

Majority zwischen mehreren Hunderttausend<br />

und mehreren Millionen (Liebman/Wuthnow<br />

1983: 54-55). Realistisch ist wohl eine Annahme<br />

von unter einer Million. Es lässt sich zeigen,<br />

45<br />

dass die Mehrzahl von ihnen fundamentalistische<br />

Geistliche mit anfangs parteipolitisch ausgeglichenem<br />

Hintergrund waren (Moen 1992:<br />

20f.).<br />

Die Strategie der Christlichen Rechten bestand<br />

in der ersten Mobilisierungsphase der<br />

1980er Jahre vor allem im Anlegen umfangreicher<br />

direct mail-Datenbanken für Aufrufe zu<br />

Spenden, Briefaktionen und Verunglimpfung<br />

oder Unterstützung bestimmter Kandidaten in<br />

Wahlkämpfen, in der Registrierung und Mobilisierung<br />

von Wählern, in Lobby-Tätigkeiten im<br />

Kongress und im Weißen Haus sowie in der<br />

Herstellung eines engmaschigen Kommunikationsnetzes.<br />

Unter dem Einfluss der Washingtoner<br />

Führung um Weyrich und Geistlicher wie<br />

Falwell war die Christliche Rechte in dieser<br />

Phase stark auf die nationale Politik und das<br />

Machtzentrum Washington DC ausgerichtet. Mit<br />

dem äußerst knappen Scheitern des Ratifizierungsprozesses<br />

des Equal Rights Amendment<br />

im Jahre 1978 und mit den Wahlen von 1980,<br />

aus denen Ronald Reagan als Sieger und liberale<br />

Demokraten wie Sen. George McGovern als<br />

Verlierer hervorgingen, feierte die Christliche<br />

Rechte ihre ersten großen nationalen Erfolge.<br />

Gemessen an ihren Erwartungen bedeutete<br />

Reagans Amtszeit allerdings ein Misserfolg, und<br />

die neu aufkommenden Spekulationen über die<br />

Gründung einer dritten Partei sowie die Auflösung<br />

von Organisationen wie Moral Majority<br />

(1986) wurde in den Medien und der Wissenschaft<br />

bereits als Ende der Bewegung interpretiert<br />

(Bruce 1988). Doch trat sie in den 1980er<br />

Jahren keineswegs den Rückzug an. Vielmehr<br />

zeichnete sich eine Reaktion auf das Reagan-<br />

Regime auf verschiedenen Ebenen ab: Radikalisierung<br />

in Teilen der Bewegung (z.B. die Gewalt<br />

gegen Abtreibungskliniken und -personal,<br />

Militanz des rassistischen Milieus; Minkenberg<br />

1998: 260-269; Rucht 1994: 339), Reorganisation<br />

des Netzwerks und Revision der Strategie.<br />

Im Zusammenwirken mündeten diese Reaktionen<br />

in einem Prozess des fortschreitenden Ein-

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