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Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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74<br />

negatives Image eingebracht. Die Missionsmethode<br />

des shakubuku (‚Brechens und Unterwerfens‘),<br />

wodurch solange Druck auf Nichtmitglieder<br />

ausgeübt wurde, bis sie konvertierten,<br />

war nichtsdestotrotz effektiv, um die Grundlage<br />

für das immense Wachstum der Organisation<br />

zu schaffen. Die autoritäre und straff hierarchisch<br />

durchstrukturierte Organisation, die<br />

Mitgliederstärke und das finanzielle Potenzial<br />

der <strong>Bewegungen</strong> sind dafür verantwortlich, dass<br />

sich die Sôka Gakkai – trotz aller Widerstände<br />

in der Bevölkerung, den Medien und Parteien –<br />

auch politisch durchsetzen konnte. In der japanischen<br />

Bevölkerung sitzt die Angst tief, dass<br />

die Sôka Gakkai die Kômeitô einsetzt, um den<br />

Nichiren-Buddhismus zur Staatsreligion zu erheben.<br />

10 Die Liberaldemokraten wiesen immer<br />

wieder auf die in der Verfassung festgelegte<br />

Trennung von Religion und Politik hin und stellten<br />

die Legalität des politischen Einflusses der<br />

Sôka Gakkai in Frage (Hrebenar 2000: 181-<br />

182). Diese Strategie war jedoch nicht erfolgreich,<br />

denn die Sôka Gakkai-Mitglieder gaben<br />

bei Wahlen ihre Stimmen weiterhin für die Kômeitô<br />

ab und sicherten so ihren politischen Einfluss.<br />

Im Oktober 1999 siegte dann der politische<br />

Pragmatismus: Die LDP und die Kômeitô gingen<br />

ein Regierungsbündnis ein. Die LDP konnte<br />

dadurch die zur Verabschiedung wichtiger Gesetze<br />

notwendige Mehrheit im Oberhaus wiedererlangen,<br />

nachdem sie seit Juli 1998 nur im<br />

Unterhaus über eine bequeme Mehrheit verfügt<br />

hatte. Die Kômeitô ließ von ihrer Strategie der<br />

ewigen Regierungsopposition ab, um mehr Einfluss<br />

auf das Profil der nationalen Politik nehmen<br />

zu können (Metraux 1999). Mit dem Regierungsbündnis<br />

der LDP und Kômeitô waren<br />

Spannungen im religiösen sowie im politischen<br />

Umfeld beider Parteien vorprogrammiert. Aufgrund<br />

der starken Skepsis gegenüber diesem<br />

Regierungsbündnis verlor die LDP erheblich<br />

an Zuspruch innerhalb der japanischen Bevölkerung.<br />

Auch verschiedene einflussreiche und<br />

Iris Wieczorek<br />

mitgliederstarke Religionsgemeinschaften gingen<br />

auf Distanz zu den Liberaldemokraten.<br />

4 Trennung von Religion und Politik?<br />

Aufgrund der relativ geschlossenen politischen<br />

Gelegenheitsstrukturen in Japan bildeten sich<br />

seit der Nachkriegszeit religiöse <strong>Bewegungen</strong>,<br />

die größere Teile der Bevölkerung mobilisieren<br />

konnten, sich überwiegend im soziokulturellen<br />

Bereich engagierten, aber auch politisch aktiv<br />

wurden. Die Sôka Gakkai war in dieser Hinsicht<br />

am erfolgreichsten, denn die von ihr gegründete<br />

Partei Neue Kômeitô ist inzwischen<br />

an der Regierung beteiligt. Allerdings sind mit<br />

dem Regierungsbündnis von LDP und Neuer<br />

Kômeitô neue religiöse <strong>Bewegungen</strong> in mehrfacher<br />

Hinsicht zum Risikofaktor geworden, und<br />

beide Parteien müssen neben dem Nutzen, den<br />

sie aus der Koalition ziehen, auch erhebliche<br />

Kosten in Kauf nehmen. Die LDP muss z.B.<br />

bei Wahlen auf die Unterstützung anderer religiöser<br />

<strong>Bewegungen</strong> verzichten und Stimmeinbußen<br />

hinnehmen. Die pazifistisch geprägte<br />

Neue Kômeitô ist ihrerseits aufgrund der Koalition<br />

dazu gezwungen, ihre Politikinhalte anzupassen,<br />

dies zeigte sich erst kürzlich bei der<br />

Frage der Entsendung von Truppen in den Irak.<br />

Dies sorgt zunehmend für Unzufriedenheit unter<br />

den Sôka Gakkai-Mitgliedern, die die hauptsächliche<br />

Wählerbasis der Neuen Kômeitô stellen.<br />

Derzeit ist die Neue Kômeitô allerdings<br />

immer noch in der Lage, bei Wahlen fast 10%<br />

der Sitze im Parlament zu erzielen, sodass sie<br />

als drittstärkste Partei Japans ein attraktiven<br />

Koalitionspartner – sowohl für die LDP als auch<br />

die Opposition – ist.<br />

Vor dem Hintergrund des Aum-Attentats<br />

können jedoch die anderen neuen religiösen<br />

<strong>Bewegungen</strong> nicht von den sich in den 1990er<br />

Jahren öffnenden politischen Gelegenheitsstrukturen<br />

profitieren. Durch die seitdem ausgeprägt<br />

negativen Einstellungen der japanischen Bevölkerung<br />

gegenüber religiösen <strong>Bewegungen</strong>, die

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