Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
82<br />
schenverachtende Äußerungen ... begründen<br />
teilweise eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung“<br />
(Küfner et al. 2002: 27). Wegen „der organisationstypischen<br />
Zielstraftaten“ in Bezug<br />
auf das Heilpraktikergesetz und Bestimmungen<br />
des Strafgesetzbuches „ist schließlich sogar an<br />
eine Strafbarkeit wegen Bildung einer Kriminellen<br />
Vereinigung (§ 129 StGB) zu denken“<br />
(Küfner et al. 2002: 27).<br />
Die Studie erntete scharfe Kritik. Vorgeworfen<br />
werden ihr gravierende Mängel hinsichtlich<br />
der Untersuchungsmethode, ihrer empirischen<br />
Basis und der Inhaltsanalyse von Scientology-<br />
Schriften.<br />
Die Herausgeber hatten die Auflage, „mindestens<br />
10 bis möglichst 15 ehemalige Mitarbeiter/Mitglieder<br />
zu befragen“ (Frenschkowski<br />
2002: 338). Die spezifischen Wahrnehmungen<br />
dieser Ehemaligen durch eine Befragung praktizierender<br />
Scientologen als Kontrollinstanz zu<br />
ergänzen, hätten die Gutachter offenbar nicht in<br />
Erwägung gezogen (Frenschkowski 2002: 341).<br />
Außerdem wird kritisiert, dass die Gutachter<br />
offenbar ausschließlich zu solchen Experten<br />
Kontakt suchten, die als Therapeuten, Pfarrer<br />
und Berater mit Scientology in ‚belasteten‘ Situationen<br />
zu tun hatten. Religionswissenschaftler,<br />
Theologen und Soziologen, die sich fachlich<br />
mit Scientology befasst und eine Position<br />
eingenommen haben, die keineswegs unkritisch<br />
ist, wurden dagegen nicht berücksichtigt. Der<br />
evangelische Theologe Marco Frenschkowski,<br />
ausgewiesener Scientology-Fachmann und Verfasser<br />
einer religionswissenschaftlichen Stellungnahme<br />
zur Studie fragt, ob die Herausgeber<br />
unabhängige Kenner von Scientology etwa<br />
deswegen nicht befragt hätten, damit ein erwünschtes<br />
Ergebnis nicht in Gefahr gerate<br />
(Frenschkowski 2003: 335f). 10<br />
Zur Analyse von Scientology-Schrifttum<br />
bemerkt er, dass aus dem Fundus der reichen,<br />
fast komplett über den Buchhandel zu beziehenden<br />
Primärquellen fast nichts benutzt worden<br />
sei: „Auch hier wird sich leider die Frage<br />
nach den erkenntnisleitenden Interessen der erstaunlichen<br />
Selektion nicht umgehen lassen,<br />
zumal die Autoren ... ihrer Literaturanalyse der<br />
‚authentischen Quellen‘ einen so zentralen Platz<br />
in ihrer Untersuchung einräumen“ (Frenschkowski<br />
2003: 353).<br />
5 Koexistenz und Toleranz statt<br />
Kampf gegen Religionen<br />
Joachim Süss<br />
Die Diskussion um ein mögliches Verbot der<br />
Scientology-Kirche markiert einen vorläufigen<br />
Höhepunkt in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung<br />
mit der nichtkonventionellen Religiosität.<br />
Seit drei Jahrzehnten leistet sich diese<br />
Republik eine Debatte zur religiös-weltanschaulichen<br />
Pluralisierung, die anhand wechselnder<br />
Objekte jeweils die gleiche Botschaft transportiert:<br />
Die nichttraditionelle Religiosität sei konfliktträchtig<br />
und müsse daher bekämpft werden.<br />
Schon jetzt ist absehbar, dass auch Scientology<br />
keineswegs den Abschluss dieser Auseinandersetzung<br />
bildet; vielmehr zeichnen sich<br />
die alternativen Heilmethoden und das Feld der<br />
freien Lebenshilfe als Schauplätze für deren<br />
Neuinszenierung ab (Frankfurter Rundschau<br />
vom 10.08.2004, 27).<br />
Die Enquete-Kommission ‚Sogenannte Sekten<br />
und Psychogruppen‘ hatte in ihren Handlungsempfehlungen<br />
bereits ein Gesetz zur Regelung<br />
der gewerblichen Lebensbewältigungshilfe<br />
empfohlen (Deutscher Bundestag, Referat<br />
Öffentlichkeitsarbeit 1998: 296). Dieses Gesetz<br />
zielt direkt auf den Bereich der alternativen und<br />
spirituellen Heilverfahren. Kritiker befürchten,<br />
dass die Berufs- und Wahlfreiheit von Menschen<br />
eingeschränkt und überdies durch die<br />
vorgesehenen rigiden Haftungs- und Entschädigungsregelungen<br />
unliebsame Konkurrenten<br />
für die konventionellen Anbieter ausgeschaltet<br />
werden sollen (Gambke 1998: 46). Dass die<br />
parlamentarische Beratung noch nicht zum Abschluss<br />
gekommen ist, dürfte aber im Eigeninteresse<br />
der Kirchen liegen: Sie müssten nämlich