Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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neuen sozialen <strong>Bewegungen</strong> entdecken lässt.<br />
Dies gilt vor allem für den radikalen, biozentristischen<br />
Flügel der US-amerikanischen Umweltbewegung<br />
(Earth First!) sowie für die Anhänger<br />
eines tiefenökologischen Bewusstseins.<br />
Gemeinsam ist diesen Fraktionen der Umweltbewegung<br />
die holistische Auffassung von der<br />
Verbundenheit allen Lebens auf dem Planeten<br />
sowie die Empfindung einer Verbindung und<br />
Verwandtschaft zur Erde, ihren Lebensformen<br />
und den auf ihr lebenden Spezies (Taylor 2001b:<br />
238; vgl. auch Campbell 1999). Dies schließt,<br />
wie Taylor zeigt, die Kultivierung von Ritualen<br />
einer spirituellen Erfahrung der Einheit wie der<br />
Kommunikation mit der Natur ebenso ein wie<br />
individuelle und kollektive Formen direkter<br />
Aktion als Ausdruck dieser Spiritualität (vgl.<br />
Taylor 2001a, 2001b).<br />
5. Die ‚Wiederverzauberung‘ der<br />
Welt als Herausforderung der<br />
Bewegungsforschung?<br />
Die Diskussion der Faktoren, die bisher eine<br />
stärkere Berücksichtigung des Verhältnisses von<br />
Religion und sozialen <strong>Bewegungen</strong> verhindert<br />
haben – allen voran das Säkularisierungstheorem<br />
und die These vom traditionalistischen, gegenmodernen<br />
oder fundamentalistischen Charakter<br />
des Religiösen – hat gezeigt, dass dieser<br />
blinde Fleck der Bewegungsforschung nicht<br />
länger gerechtfertigt werden kann. Ob und inwieweit<br />
sich das in der künftigen Forschung<br />
niederschlägt, hängt auch davon ab, wie vielversprechend<br />
eine solche Forschungsperspektive<br />
ist. Eine Fokussierung auf die Rolle der<br />
Religion als Ressource sozialer <strong>Bewegungen</strong><br />
sowie auf die Bewältigung der strukturell ähnlichen<br />
Herausforderungen sozialer und religiöser<br />
<strong>Bewegungen</strong> bewegt sich in eher konventionellen<br />
Bahnen und hat daher, so bedeutsam sie<br />
auch als Ergänzung oder Korrektur bisheriger<br />
Forschung ist, wohl nur eine begrenzte Attraktivität.<br />
Ein vielversprechenderes, aber auch risi-<br />
koreicheres Unternehmen ist sicher die Erforschung<br />
des Zusammenhangs der Tendenzen zu<br />
einer ‚Wiederverzauberung‘ der Welt in Form<br />
einer neuen Spiritualität mit Prozessen der Protestmobilisierung<br />
– denn hier könnte sich das<br />
mobilisierungsfähige Potenzial für eine mehr<br />
oder weniger konflikthafte Transformation der<br />
Konstitution moderner Gesellschaften abzeichnen<br />
(vgl. Bourg 1983: 59).<br />
Ulrich Willems (geb. 1960) ist Politikwissenschaftler<br />
und Habilitand am Institut für Politische<br />
Wissenschaft der Universität Hamburg.<br />
Seine Mail-Anschrift lautet: Uwillems@<br />
aol.com.<br />
Anmerkungen<br />
Ulrich Willems<br />
1 Keineswegs weniger problematisch ist die<br />
Rawlssche Unterscheidung von Gründen auf<br />
der Basis eines öffentlichen und solchen auf<br />
der Basis eines nichtöffentlichen Vernunftgebrauchs<br />
(1998; vgl. dazu ausführlich Willems<br />
2003: 98-105).<br />
2 Vgl. u.a. die Beiträge in den Sammelbänden<br />
von Smith (1996b) und Yarnold (Yarnold<br />
1991) sowie Haspel und Minkenberg, in diesem<br />
Heft.<br />
3 Vgl. Reetz, in diesem Heft; vgl. aber auch<br />
als Beispiele für Untersuchungen islamischer<br />
Mobilisierung aus der Perspektive der Bewegungsforschung<br />
die Bände von Burke und Lapidus<br />
(1988) sowie Wiktorowicz (2004).<br />
4 Empirisch ist die Rolle von religiösen Organisationen,<br />
Akteuren und Traditionen als Ressource<br />
sozialer <strong>Bewegungen</strong> vor allem in Arbeiten<br />
zur US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung<br />
herausgearbeitet worden (vgl. Haspel,<br />
in diesem Heft).<br />
5 Die Bedeutung dieser Dimension von Religion<br />
als Ressource sozialer <strong>Bewegungen</strong> wird<br />
deutlich, wenn man in Rechnung stellt, dass es<br />
eine eigenständige Logik kollektiven Handelns<br />
mit uneigennützigen Zielen gibt, die nicht oder