23.10.2013 Aufrufe

Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

42<br />

Michael Minkenberg<br />

Die Christliche Rechte in den USA als politischer Akteur<br />

1 Die amerikanische Christliche<br />

Rechte: von der Bewegungs- zur<br />

Parteiorganisation?<br />

Die christliche Rechte in den USA gehört zu<br />

den am besten erforschten religiösen <strong>Bewegungen</strong><br />

in westlichen Demokratien, wozu sicher<br />

auch ihre Langlebigkeit entgegen allen Prognosen<br />

ihres Niedergangs oder Verschwindens beigetragen<br />

hat (Brocker 2003; Bruce 1988; Minkenberg<br />

1990). Hinzu kommt, dass sie ein<br />

besonders enges Verhältnis zur Republikanischen<br />

Partei und, mit der Amtsübernahme von<br />

Präsident George W. Bush 2001, eine Nähe zur<br />

politischen Macht in Washington erlangt hat wie<br />

nie zuvor. Dies hat Rückwirkungen auf die Akteursrolle<br />

der Christlichen Rechten.<br />

Im vorliegenden Beitrag soll in Anlehnung<br />

an die von Mayer N. Zald und John D. Mc-<br />

Carthy angesprochene Dimension der Verwicklung<br />

religiöser <strong>Bewegungen</strong> in die Politik und<br />

ihren Kontext (staatliche Regulierung, Gegenbewegungen,<br />

Verbündete in Parteien und anderen<br />

<strong>Bewegungen</strong>, vgl. hierzu den Beitrag von<br />

Willems in diesem Heft) die Christliche Rechte<br />

in den USA untersucht werden. Dabei stehen<br />

vor allem deren Aktionsrepertoire und Aktionsradius<br />

in der amerikanischen Politik und weniger<br />

das Zusammenspiel mit anderen <strong>Bewegungen</strong><br />

oder einzelne zentrale Konfliktfelder (Schulgebet,<br />

Abtreibung) im Mittelpunkt.<br />

Hierzu sollen die Agenda der Christlichen<br />

Rechten sowie Wandlungen in ihrem Organisationsfeld<br />

im Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert<br />

aufgezeigt und sodann in Beziehung<br />

zum politischen Umfeld, insbesondere zur Republikanischen<br />

Partei gestellt werden. Es wird<br />

die These vertreten, dass die Eigenständigkeit<br />

der Christlichen Rechten einer zunehmenden<br />

<strong>Forschungsjournal</strong> NSB, Jg. 17, 4/2004<br />

Unterwerfung unter die Regeln der Parteipolitik<br />

und einer Instrumentalisierung durch die<br />

Partei gewichen ist.<br />

2 Themenfelder und Agenda: Bibel<br />

und Burke<br />

Die Christliche Rechte kann als eine politische<br />

und soziale Bewegung verstanden werden, die<br />

entscheidend zur Politisierung und Mobilisierung<br />

des amerikanischen protestantischen Fundamentalismus<br />

ab Mitte der 1970er Jahre beigetragen<br />

hat. Fundamentalismus bedeutet hier<br />

eine ausgeprägte religiöse Orthodoxie, die sich<br />

auf die Unfehlbarkeit des biblischen Wortes und<br />

eine selektive Adaption religiöser Traditionen<br />

gründet sowie in einer diesseitigen Haltung dezidiert<br />

gegen bestimmte Ausprägungen der<br />

Moderne wie Liberalismus und Säkularismus<br />

Stellung bezieht (Ammerman 1991). Die politische<br />

Mobilisierung und Organisation des protestantischen<br />

Fundamentalismus durch die<br />

Christliche Rechte kann daher als moderne antimodernistische<br />

Reaktion zur Bewahrung der<br />

fundamentalistischen Lebenswelt in einer sich<br />

rapide ändernden Umwelt aufgefasst werden<br />

(Casanova 1994: 137-157). Die politische Programmatik<br />

der Christlichen Rechten wurde von<br />

Theodore Lowi (1996: 6) treffend als Mischung<br />

aus Bibel und Edmund Burke 1 , in der sich etatistische<br />

und populistische Elemente verbinden,<br />

charakterisiert.<br />

Diese Agenda ist an eine grundlegende Diagnose<br />

eines Werteverfalls und einer moralischen<br />

Krise seit den 1960er Jahren geknüpft.<br />

In der Reagan-Ära stellte Paul Weyrich (1986:<br />

C4), einer der führenden Strategen der Christlichen<br />

Rechten und Mitbegründer von Moral<br />

Majority und der Christian Coalition fest: „The-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!