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Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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30<br />

und religiösen <strong>Bewegungen</strong> stehen konzeptionelle<br />

Vorentscheidungen, die spezifische Selektivitäten<br />

bei der Gegenstandsbestimmung zur<br />

Folge hatten.<br />

So hat sich vor allem die amerikanische Bewegungsforschung<br />

überwiegend auf solche<br />

sozialen <strong>Bewegungen</strong> konzentriert, die wirtschaftlichen<br />

oder politischen Wandel mit politischen<br />

Mitteln zu erreichen suchten (Williams<br />

2000: 2), d.h. auf den Typus der machtorientierten<br />

Bewegung (Raschke 1988: 110-112). Die<br />

europäische Forschung zu den sogenannten<br />

neuen sozialen <strong>Bewegungen</strong> hat zwar neben dem<br />

machtorientierten auch den Typus der kulturorientierten<br />

Bewegung in den Blick genommen.<br />

Aber auch in der europäischen Bewegungsforschung<br />

haben letztlich Analysen machtorientierter<br />

<strong>Bewegungen</strong> dominiert.<br />

Demgegenüber wurden und werden religiöse<br />

<strong>Bewegungen</strong> in der Regel als wertorientierte<br />

<strong>Bewegungen</strong> im Sinne Smelsers betrachtet, die<br />

Personen, nicht aber Strukturen oder soziale<br />

Verhältnisse zu verändern trachten (Hannigan<br />

1991: 319), bzw. als kulturorientierte <strong>Bewegungen</strong>,<br />

die nicht daran interessiert sind, ihre Wertorientierungen<br />

im politischen Prozess verbindlich<br />

zu machen, sondern sich in den Bereich des<br />

Privaten zurückziehen, um dort ihre Lebensweise<br />

praktizieren zu können (Offe 1985: 827).<br />

Als wert- oder kulturorientiert klassifiziert,<br />

konnten religiöse <strong>Bewegungen</strong> aber nicht mehr<br />

in den Fokus einer überwiegend auf die Analyse<br />

machtorientierter <strong>Bewegungen</strong> ausgerichteten<br />

Bewegungsforschung geraten.<br />

Umgekehrt hat auch die Religionssoziologie<br />

ihrerseits zur Separierung der Forschung<br />

von sozialen und religiösen <strong>Bewegungen</strong> und<br />

letztlich auch zu ihrer Selbstisolierung im Feld<br />

der Sozialwissenschaften beigetragen. Sie konzipierte<br />

Religion als einen eigenen Bereich des<br />

<strong>Soziale</strong>n, dessen empirisches Korrelat klar identifizierbare<br />

organisatorische Formen wie Kirchen,<br />

Sekten und religiöse <strong>Bewegungen</strong> sowie<br />

deren Lehren und Praktiken sind. Eine solche<br />

Ulrich Willems<br />

Perspektive richtet den Blick eher auf die spezifischen<br />

Charakteristika des Religiösen und stärker<br />

auf die Unterschiede als auf die Gemeinsamkeiten<br />

zwischen religiösen und anderen sozialen<br />

Organisationsformen und sozialen Praktiken.<br />

Zudem wurde damit schon auf konzeptioneller<br />

Ebene die Möglichkeit der Frage danach<br />

ausgeschlossen, ob und in welchem Ausmaß<br />

Religion eine Dimension sozialen Handelns<br />

auch jenseits der Kirchenmauern bildet (Demerath<br />

III/Schmitt 1998: 381).<br />

Diese durch theoretische und analytische<br />

Zugänge beförderten Tendenzen zur Ausblendung<br />

der Religion bei der Analyse sozialer <strong>Bewegungen</strong><br />

wurden von der Gegenstandsseite<br />

her zusätzlich dadurch verstärkt, dass der ‚religiöse<br />

Faktor’ in den lange Zeit im Zentrum der<br />

Aufmerksamkeit der Bewegungsforschung stehenden<br />

Studenten-, Frauen und Umweltbewegungen<br />

eine vergleichsweise geringere, wenn<br />

auch sicherlich unterschätzte Rolle spielte (Smith<br />

1996a: 3-4).<br />

3 Exkurs: Religion in der Moderne<br />

Wenn diese Rekonstruktion der säkularisierungstheoretischen<br />

Hintergrundüberzeugungen<br />

und der konzeptionellen gegenstandsbezogenen<br />

Vorentscheidungen zutreffend ist, dann wird der<br />

Verweis auf die eingangs angedeuteten empirischen<br />

Befunde einer Renaissance der Religion<br />

allein nicht ausreichen, die Bewegungsforschung<br />

(wie auch die Sozialwissenschaften<br />

insgesamt) zu einer angemesseneren Berücksichtigung<br />

der Religion sowie religiöser Organisationen,<br />

<strong>Bewegungen</strong> und Traditionen bei<br />

der Erforschung sozialer <strong>Bewegungen</strong> zu veranlassen.<br />

Daher sollen im Folgenden das Säkularisierungstheorem<br />

und die These vom traditionalistischen<br />

oder gegenmodernen Charakter<br />

des Religiösen in der Moderne noch einmal genauer<br />

betrachtet werden.<br />

Das Säkularisierungstheorem ist von zwei<br />

Seiten unter Druck geraten. Theoretisch sieht

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