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Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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Religion und soziale <strong>Bewegungen</strong><br />

sationen ist heute Folge einer Wahlentscheidung.<br />

Religiöse Organisationen und <strong>Bewegungen</strong><br />

müssen sich daher wie soziale <strong>Bewegungen</strong> bei<br />

der Rekrutierung von Mitgliedern und bei der<br />

Verstetigung von Mitgliedschaft in kompetitiven<br />

Märkten behaupten. Angesichts der Strukturähnlichkeiten<br />

eines Engagements in religiösen<br />

Kontexten und sozialen <strong>Bewegungen</strong> – wie<br />

etwa dem Einsatz für ewige und/oder universale<br />

Werte – spricht zudem viel für die Vermutung,<br />

dass es sich um dieselben Märkte handelt<br />

oder die Zielmärkte zumindest große Überschneidungen<br />

aufweisen. Dies zeigt sich aber<br />

auch, wenn man die typischen Charakteristika<br />

der Mitglieder in neuen sozialen und neuen religiösen<br />

<strong>Bewegungen</strong> in den Blick nimmt: sie<br />

sind jung, überdurchschnittlich gebildet, stammen<br />

aus der sogenannten Mittelschicht und<br />

zeichnen sich durch ‚Idealismus’ aus (Hannigan<br />

1990: 252). 7<br />

Zugleich wird Religion kontroverser. Eingangs<br />

wurde schon darauf verwiesen, dass im<br />

Zuge der kulturellen Pluralisierung die religionspolitische<br />

Ordnung den Gegenstand einer<br />

heftigen Debatte bildet. Zugleich erodieren<br />

durch diese Politisierung der Religion, aber auch<br />

durch die mit dem politischen Engagement religiöser<br />

Kräfte verbundenen Konflikte, die herkömmlichen<br />

Zuschreibungen von Gemeinwohlorientierung<br />

und moralischer Autorität an die<br />

Adresse etablierter religiöser Organisationen.<br />

Religiöse Organisationen stehen daher in wachsendem<br />

Maß wie soziale <strong>Bewegungen</strong> unter dem<br />

Zwang, sowohl sich selbst als auch ihre politischen<br />

Forderungen legitimieren zu müssen. Vor<br />

allem mit Blick auf das Geltendmachen moralischer<br />

Anliegen in vom Pluralismus selbstbezüglicher<br />

Interessen geprägten Gesellschaften<br />

besteht zunehmend eine Konkurrenzsituation<br />

zwischen religiösen Organisationen und Bewegungsorganisationen.<br />

Strukturähnlichkeiten und vergleichbare<br />

Herausforderungen zu betonen, bedeutet jedoch<br />

nicht, die beträchtlichen Unterschiede zwischen<br />

35<br />

sozialen und religiösen <strong>Bewegungen</strong> einzuebnen.<br />

Solche Unterschiede zeigen sich etwa bei<br />

einem Vergleich der neuen sozialen mit den neuen<br />

religiösen <strong>Bewegungen</strong>.<br />

Neue soziale <strong>Bewegungen</strong> zeichnen sich in<br />

der Regel z.B. durch ein geringes Maß der Abgrenzung<br />

nach außen sowie der Disziplinierung<br />

der Mitglieder, dezentrale Führungsstrukturen<br />

und diskursive Kommunikationsstrukturen, die<br />

intern wie extern in kollektive Lernprozesse<br />

münden sollen, aus. Zudem werden ihnen von<br />

Öffentlichkeit wie beobachtender Wissenschaft<br />

eine rationale Zielstruktur und Instrumentenwahl<br />

zugeschrieben.<br />

Demgegenüber sind neue religiöse <strong>Bewegungen</strong><br />

überwiegend durch eine stärkere Abgrenzung<br />

nach außen, eine starke Disziplinierung<br />

der Mitglieder, charismatische und zum<br />

Teil autoritäre Führungsstrukturen sowie eine<br />

Orientierung an vorgegebenen Normen und eine<br />

Konzentration auf individuelle Lernprozesse gekennzeichnet.<br />

Zudem sehen sich ihre unkonventionellen<br />

Glaubensüberzeugungen aufgrund<br />

der starken Betonung direkter Erfahrungen bzw.<br />

ihrer prekären Plausibilität eher der Irrationalität<br />

verdächtigt (Hannigan 1990: 247-250; Beckford<br />

1993: 24).<br />

Diese Gegenüberstellung bezieht sich vornehmlich<br />

auf die in der Öffentlichkeit besonders<br />

umstrittenen und deshalb besonders gut erforschten,<br />

aber mit Blick auf Gesamtzahl wie<br />

ihre Mitgliedschaft eher marginale Gruppe neuer<br />

religiöser <strong>Bewegungen</strong>, die u.a. die ‚Kinder<br />

Gottes‘, die Bhagwan-Rajneesh- bzw. Osho-<br />

Bewegung, die Mun-Bewegung (Vereinigungskirche),<br />

Hare Krishna (ISKCON) oder Scientology<br />

umfasst. Eine solche Betrachtung darf<br />

jedoch nicht die beträchtlichen Unterschiede innerhalb<br />

der neuen religiösen <strong>Bewegungen</strong> verdecken.<br />

Insgesamt betrachtet haben neue religiöse<br />

<strong>Bewegungen</strong> wenig mehr gemeinsam als<br />

ihre Auszeichnung als deviant, wobei die etablierten<br />

religiösen Organisationen den Eichpunkt<br />

dieser Etikettierung bilden (Melton 2004: 27).

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