Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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Literatur<br />
Differenzen in der Zusammenarbeit in Frauenbewegungen<br />
gestaltet werden könnte.<br />
Die Mitherausgeberin Silke Roth widmet<br />
sich in zwei eigenen Beiträgen zum einen der<br />
Frage der Bedeutung des Gender-Mainstreaming-Ansatzes<br />
im Kontext der EU-Osterweiterung,<br />
zum anderen lotet sie nationale und internationale<br />
Einflüsse auf (unterschiedliche) europäische<br />
Frauenbewegungen aus. Anhand des<br />
Ansatzes des Gender Mainstreaming wird gezeigt,<br />
wie frauenpolitische Forderungen in die<br />
EU-Gesetzgebung aufgenommen wurden, an<br />
die sich die EU-Länder anpassen müssen. Es<br />
wird diskutiert, ob möglicherweise Länder mit<br />
postsozialistischen Erfahrungen bessere Voraussetzungen<br />
für einen produktiven Umgang mit<br />
dem Ansatz haben, aber es wird auch die Sorge<br />
deutlich gemacht, dass spezifische Errungenschaften<br />
im Bereich der Frauenförderung abgebaut<br />
werden könnten.<br />
Europäische Vereinigung als Chance<br />
Mit Blick auf die unterschiedlichen Frauenbewegungen<br />
stellen die Herausgeberinnen die Frage,<br />
ob nicht gerade der Prozess der Europäischen<br />
Vereinigung die Chance bietet, unterschiedliche<br />
Positionen in Frage zu stellen und<br />
ggf. neu zu verhandeln. Noch nicht ausgemacht<br />
scheint ihnen, ob die Verschiedenheit der Frauenbewegungen<br />
zu einer ,produktiven Vielfalt‘<br />
oder zu ,neuen Dominanzen‘ führt.<br />
Die in dem Band vereinten ausgewählten<br />
Länderbeiträge umfassen Analysen aus alten<br />
(Frankreich/Béatrice Durand, Finnland/Solveig<br />
Bergmann), Spanien, Deutschland) und neuen<br />
europäischen Ländern (Polen, Ungarn/Andrea<br />
Petö), möglicherweise zukünftigen Ländern der<br />
EU (Türkei) sowie einen Beitrag über den ,Fernen<br />
Osten Europas‘, über Russland von Larissa<br />
Lissjutkina. Durch die Auswahl der Länder<br />
wird ein Spektrum unterschiedlicher Positionen<br />
aufgezeigt, Erfahrungen älterer EU-Länder<br />
und solcher, die erst später dazu gekommen<br />
sind, sowie unterschiedliche historische und<br />
115<br />
kulturelle Kontexte. In Hinblick auf Polen und<br />
Spanien zeigen Bozena Choluj bzw. Natàlia<br />
Cantó Milà, welchen Einfluss der Katholizismus<br />
auf die nationalen Frauenbewegungen hat.<br />
Auch in dem türkischen Beitrag von Gül Aldikaçti<br />
Marshall wird die besondere Rolle der<br />
Religion – hier des Islam – betont, die geringe<br />
politische Repräsentanz von Frauen in der Türkei<br />
aufgezeigt, aber eben auch auf eine durchaus<br />
lebendige Frauenbewegung verwiesen. Die türkische<br />
Frauenbewegung befürwortet den Druck<br />
der Europäischen Union auf die Türkei hinsichtlich<br />
rechtlicher Veränderungen und hegt große<br />
Hoffnungen auf positive Gleichstellungswirkungen<br />
im Beitrittsprozess.<br />
Zum richtigen Zeitpunkt<br />
Die ,Töchter Europas‘ sind zum richtigen Zeitpunkt<br />
erschienen. Das Interesse ist vergleichsweise<br />
groß, mehr über die 10 neuen europäischen<br />
Mitgliedsländer zu erfahren. Die Nachfrage<br />
nach einführender und vertiefender Literatur<br />
steigt, die Frage des Türkei-Beitritts bewegt<br />
die öffentlichen Gemüter.<br />
Der differenzierte Ansatz des Bandes erlaubt<br />
eine Perspektiverweiterung, die vor vorschnellen<br />
Verallgemeinerungen oder präjudizierenden<br />
Klischees schützt und mithin (auch) den (feministischen)<br />
Horizont weitet und Perspektiven<br />
für neue Bündnisse und strategische Kooperationen<br />
erschließt.<br />
Von besonderer Bedeutung ist der frauenund<br />
geschlechterpolitische Fokus des Bandes,<br />
ist doch gerade die geschlechtliche Seite des<br />
Erweiterungsprozesses in den Verhandlungen<br />
der Beitrittsländer randständig geblieben und<br />
konnte erst recht spät auf die politische Tagesordnung<br />
gesetzt werden.<br />
Ein insgesamt durch und durch empfehlenswerter<br />
Band, nicht nur für Wissenschaftlerinnen,<br />
frauenpolitische Akteurinnen und Expertinnen.<br />
Er ist Anregung und ,Bewegungslust‘ fördernd<br />
auch für solche, die frauenpolitisch aktiv werden<br />
wollen. Verständlich geschrieben, ist der