Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
50<br />
lie, Abtreibung, Schulgebet) die Agenda der<br />
Christlichen Rechten zu eigen gemacht hatte und<br />
von namhaften Aktivisten der Christlichen Rechten<br />
als Favorit unter den Republikanern eingestuft<br />
wurde (Edsall 1998). Vor den primaries<br />
entschied er sich jedoch gegen eine Kandidatur<br />
und gab somit das Feld frei für eine Reihe von<br />
Kandidaten, die auf Unterstützung durch die<br />
Christliche Rechte hofften (Dan Quayle, Alan<br />
Keyes, Sen. Orrin Hatch, Gary Bauer). In den<br />
Vorwahlkämpfen spitzte sich der Wahlkampf<br />
jedoch bald auf die Konkurrenz zwischen George<br />
W. Bush und dem moderaten Sen. John<br />
McCain zu. Wie früher Ronald Reagan oder<br />
Robert Dole, war auch in dieser Wahl der Republikanische<br />
front runner George W. Bush nicht<br />
der ideale Repräsentant für die Christliche Rechte.<br />
Er konnte sich aber, wie seine Vorgänger<br />
zwischen 1988 und 1996, im Verlauf der Vorwahlen,<br />
auf dem Republikanischen Parteitag und<br />
schließlich im allgemeinen Wahlkampf deren<br />
volle Unterstützung versichern, indem er sich<br />
deutlich auf sie zu bewegte (Stanley 2001).<br />
Der Wahlausgang im November 2000 und<br />
sein Nachspiel gehören zweifellos zu den großen<br />
Merkwürdigkeiten der amerikanischen<br />
Wahlgeschichte. Weniger merkwürdig war, dass<br />
George W. Bush, wie seine Republikanischen<br />
Vorgänger unter den Präsidentschaftskandidaten,<br />
über eine große Unterstützung unter den<br />
Fundamentalisten verfügte: 69% von ihnen<br />
stimmten für ihn, nur 29% für Albert Gore. Da<br />
diese Gruppe sich ebenfalls überdurchschnittlich<br />
an der Wahl beteiligte, kann davon ausgegangen<br />
werden, dass Anhänger der Christlichen<br />
Rechten in einzelnen Wahlkreisen durchaus entscheidend<br />
zum Ausgang der Wahl beigetragen<br />
haben (Abramson et al. 2003: 77-84, 97-106).<br />
George W. Bush konnte aufgrund des knappen<br />
Wahlausgangs nicht beanspruchen, ein klares<br />
Mandat von den amerikanischen Wählern erhalten<br />
zu haben. Wohl aber kann man behaupten,<br />
dass er von den Fundamentalisten ein solches<br />
bekommen hat, und dies spiegelte sich auch<br />
Michael Minkenberg<br />
in seiner Regierungspolitik wider (Minkenberg<br />
2003: 29-32).<br />
5 Zwischen System und Lebenswelt<br />
Die Christliche Rechte hat seit ihrer Entstehung<br />
Mitte der 1970er Jahre einen grundsätzlichen<br />
Wandel hinsichtlich ihres Aktionsrepertoires und<br />
Aktionsradius durchlaufen. Noch 1990 stand die<br />
Bewegung weitgehend außerhalb des Parteiensystems,<br />
mobilisierte in und gegen Washington<br />
DC und sah sich mit Anzeichen eines Niedergangs<br />
konfrontiert. Die Beziehung zum Republikanischen<br />
Präsidenten George H.W. Bush war<br />
gespannt, wenn nicht gar feindlich. Im Laufe der<br />
1990er Jahre hat die Bewegung die Republikanische<br />
Partei dann soweit unterwandert, dass sie<br />
inzwischen zu einem festen Bestandteil derselben<br />
und damit des Parteien- und Machtsystems<br />
der USA geworden ist. Zugleich hat die Christliche<br />
Rechte seit 2001 in George W. Bush einen<br />
ihr besonders nahestehenden Präsidenten, der<br />
sich, was seine Politik, seine Religiosität und<br />
seine Familienverhältnisse angeht, von allen Vorgängern<br />
im Weißen Haus deutlich positiv – im<br />
Sinne der Christlichen Rechten – abhebt. Nicht<br />
zuletzt deswegen hat die Christliche Rechte in<br />
der Präsidentschaftswahl von 2004 besondere<br />
Anstrengungen zur Mobilisierung von christlichen<br />
und konservativen Wählern unternommen<br />
und einen entscheidenden Beitrag zur Wiederwahl<br />
von Bush geleistet. Diese Mobilisierungsleistung<br />
zeigt sich u.a. darin, dass 2004 im Vergleich<br />
zu früheren Wahlen besonders viele Wähler,<br />
nämlich 22% (von denen 79% für Bush<br />
stimmten), „moralische Werte“ als wichtigsten<br />
Grund für die Wahlentscheidung angaben (gefolgt<br />
von 20%, für die die Wirtschaft und die<br />
Arbeitsplätze entscheidend waren) (Newsweek,<br />
15. Nov. 2004, S. 17). Und im Gegensatz zur<br />
Wahl von 2000 kann Bush mit 51% der Stimmen<br />
nun zu Recht behaupten, ein Mandat der (konservativen)<br />
Mehrheit der Wähler erhalten zu haben<br />
und seine Politik im Innern fortführen.