Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
110<br />
lichen Anforderungen. Helmut K. Anheier und<br />
Matthias Freise fragen nach der Rolle von Zivilgesellschaft<br />
im Staatsverständnis und der<br />
Bedeutung dieses Verständnisses für die Organisationen<br />
im Dritten Sektor. Dietlind Stolle,<br />
Marc Hooghe und Michele Micheletti referieren<br />
eine Vorstudie zu politischem Konsum. Politische<br />
Ziele lassen sich nicht nur durch Forderungen<br />
an staatliche Stellen durchsetzen, sondern<br />
auch durch politisch ausgerichtetes Konsumverhalten.<br />
Dieser vernachlässigten Perspektive<br />
nähert sich der Beitrag an und kann zeigen,<br />
dass politischer Konsum zumindest unter Studierenden<br />
weit verbreitet ist. Die Sektion Politische<br />
Soziologie der Deutschen Gesellschaft für<br />
Soziologie wird eine Tagung im Juni 2005 in<br />
Gießen dem Thema widmen. Bernhard Weßels<br />
richtet den Blick auf die Transformationsgesellschaften<br />
Mittel- und Osteuropas. Die Entwicklung<br />
einer funktionsfähigen Zivilgesellschaft<br />
wurde immer wieder als entscheidende Voraussetzung<br />
für die Entstehung einer stabilen Demokratie<br />
angesehen. Doch das für Zivilgesellschaften<br />
so wichtige Vertrauen ist im Laufe der<br />
Transformation eine knappe Ressource. Weßels<br />
stellt nun den Organisationsgrad der Gesellschaften<br />
in Beziehung zu Vertrauen, wirtschaftlicher<br />
Entwicklung und der Größe einer Mittelklasse.<br />
Die Entwicklung einer Zivilgesellschaft<br />
scheint ,im Gleichklang mit anderen Modernisierungsprozessen‘<br />
fortzuschreiten; Ostdeutschland<br />
und die Slowakei sind in vergleichsweise<br />
günstigen Situationen während die Zivilgesellschaft<br />
Russlands nach wie vor in einer schwierigen<br />
Situation ist.<br />
Wenn der Staat das Vertrauen<br />
verliert<br />
Der Abschnitt ,Vom Staatsversagen zu Governance‘<br />
untersucht Konstellationen, in denen der<br />
Staat nicht oder nur eingeschränkt durch sein<br />
Gewaltmonopol die Grundlage für Vertrauen<br />
schaffen kann. Doch auch in solchen Situationen<br />
ist Zivilgesellschaft nicht ausgeschlossen.<br />
<strong>Forschungsjournal</strong> NSB, Jg. 17, 4/2004<br />
Der Vergleich von nationalen Organisationen<br />
des Roten Kreuzes in Bosnien-Herzegowina<br />
und Albanien von Catherine Götze ist instruktiv,<br />
weil er deutlich macht, wie die Art der anomischen<br />
Situation in beiden Ländern auf die<br />
Möglichkeit freiwilliger Organisation zurückwirkt.<br />
Während in Bosnien-Herzegowina die<br />
ethnischen Verwerfungen und die Politisierung<br />
auch des Roten Kreuzes die Mobilisierung von<br />
Freiwilligkeit stark behindern, ist in Albanien<br />
das Rote Kreuz ein Kontrapunkt zu der hoch<br />
prekären gesellschaftlichen Situation. Die Konzentration<br />
auf Europa überschreitet Shalini Randeria<br />
mit ihrer Untersuchung von Kastensolidarität<br />
als Modus zivilgesellschaftlicher Bindung.<br />
Der ,listige Staat‘ setzt nicht seine Souveränität<br />
kompromisslos durch, sondern greift<br />
partiell ein, überlässt aber partiell auch die<br />
Rechtssetzung und Rechtssprechung traditionellen,<br />
kastengebundenen Institutionen, die<br />
selbstorganisiert, also gewissermaßen eben zivilgesellschaftlich<br />
für gesellschaftliche Ordnung<br />
sorgen. Gunnar Folke Schuppert plädiert in seinem<br />
theoretischen Artikel für zivilgesellschaftlichen<br />
Rechtssetzungs- und Rechtsumsetzungspluralismus<br />
auch in europäischen Gesellschaften.<br />
Jenseits des Nationalstaats<br />
Das letzte Großthema ist Zivilgesellschaft<br />
jenseits des Nationalstaats. In einem wiederum<br />
historischen Beitrag beschreibt Hartmut<br />
Kaelble die Entwicklung von Ansätzen<br />
einer europäischen Zivilgesellschaft, die nur<br />
zum Teil, in den letzten Jahren aber ganz<br />
dominant, in Verbindung mit der Europäischen<br />
Union und ihren Vorläufern steht. Kristine<br />
Kern befasst sich mit Netzwerkorganisationen<br />
jenseits der Nationalstaaten. Ihr geht<br />
es dabei nicht allein um die zivilgesellschaftliche<br />
Beeinflussung von Rechtssetzung<br />
trans- oder supranationaler Regierungsinstitutionen,<br />
sondern um die Möglichkeiten zivilgesellschaftlicher<br />
Rechtssetzung und