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Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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Literatur<br />

Neues von der Zivilgesellschaft?<br />

Jahrbücher dienen gewöhnlich zwei Aufgaben:<br />

Einerseits sind sie eine Art Rechenschaftsbericht,<br />

in dem die Tätigkeit der Institution dokumentiert<br />

ist. Andererseits können sie auch Perspektiven<br />

und geplante Programme aufzeigen.<br />

Das Jahrbuch 2003 des Wissenschaftszentrums<br />

Berlin für Sozialforschung (WZB) ist aus beiden<br />

Blickwinkeln interessant.<br />

Akzentverschiebung<br />

Mit dem Auslaufen der Abteilung Öffentlichkeit<br />

und <strong>Soziale</strong> <strong>Bewegungen</strong> 2000 und einer<br />

Herabstufung zur Arbeitsgruppe ,Politische<br />

Öffentlichkeit und Mobilisierung‘ gab es eine<br />

Akzentverschiebung am WZB, bei der die Bewegungsforschung<br />

an Stellenwert einbüßte.<br />

Ansgar Klein befürchtete damals in einer Stellungnahme<br />

im <strong>Forschungsjournal</strong> einen „Abschied<br />

auf Raten von der Bewegungsforschung“<br />

(FJ NSB 1/2001, 117-119).<br />

Nun widmet das WZB sein Jahrbuch 2003<br />

der Zivilgesellschaft, also einem Thema im weiteren<br />

Feld der Bewegungsforschung. Das Thema<br />

selbst, aber auch die Zusammenstellung des<br />

Bandes, spiegelt den Einfluss vom WZB-Präsidenten<br />

Jürgen Kocka, der das Amt Anfang 2001<br />

von dem Bewegungsforscher Friedhelm Neidhardt<br />

übernommen hatte. Kocka rief einen neuen<br />

Schwerpunkt zu ,Zivilgesellschaft, Konflikte<br />

und Demokratie‘ ins Leben, der mit zwei Abteilungen,<br />

zwei Arbeitsgruppen und einer Arbeitsstelle<br />

ähnlich wie andere Schwerpunkte<br />

ausgestattet ist. Die neu am WZB vertretene<br />

Disziplin des Historikers Kocka schlägt sich im<br />

Band nieder. So sind die Beiträge nicht nur soziologisch<br />

und politikwissenschaftlich geprägt,<br />

sondern es finden sich auch historische Artikel.<br />

Zivilgesellschaft im historischen<br />

Kontext<br />

In dem ersten der vier Abschnitte wird das Konzept<br />

der Zivilgesellschaft in einen historischen<br />

109<br />

Kontext gestellt. Dieter Gosewinkel und Dieter<br />

Rucht führen soziologische und historische Perspektiven<br />

auf Zivilgesellschaft in einem Beitrag<br />

zusammen. So wird einerseits historisch ein<br />

Blick auf Selbstdefinition und Träger von Zivilgesellschaft<br />

geworfen. Andererseits schlagen<br />

die Autoren eine systematische Konzeption von<br />

zivilgesellschaftlichem Handeln als spezifischem<br />

Modus sozialer Interaktion vor, der „nicht<br />

moralisch oder affektiv motiviert“ ist, sondern<br />

„auf der Überzeugungskraft der Vorteile kooperativen<br />

Handelns“ beruhe (S. 45f). In dieser<br />

Weise wird Zivilgesellschaft abgegrenzt von<br />

Staat, Gemeinschaften und Wirtschaft. Die Fokussierung<br />

der Zivilgesellschaft auf Solidarität<br />

lehnen die Autoren explizit ab. Damit bleibt<br />

allerdings unklar, warum sich Zivilgesellschaft<br />

von Wirtschaft unterscheidet, beruht doch auch<br />

jeder Kauf auf der wechselseitigen Einsicht in<br />

den Vorteil einer (kooperativen) Tauschhandlung.<br />

Sven Reichardt weist auf die Ambivalenzen<br />

von hoher Mobilisierung in nicht-staatlichen<br />

Vereinen hin, mit dem Verweis auf die<br />

Weimarer Republik. In dieser Zeit waren zwar<br />

viele Menschen in Vereinen aktiv, allerdings auch<br />

mit hoher Gewaltbereitschaft, was bekanntlich<br />

zur Destabilisierung des ganzen Staatswesens<br />

führte. Hier wird die Bedeutung von Zivilität<br />

für Zivilgesellschaft deutlich. Die Bedeutung<br />

von Gewalt wird auch von Ute Hasenöhrl analysiert,<br />

die sich mit zivilem Ungehorsam, also<br />

der Regelverletzung unter Gewaltverzicht, im<br />

Kontext der Anti-AKW-Bewegung beschäftigt.<br />

Zivilgesellschaftliche Organisationen<br />

Der zweite Abschnitt ,Intermediärer Bereich und<br />

Dritter Sektor‘ nimmt die zivilgesellschaftlichen<br />

Organisationen in den Blick, wobei nun Zivilgesellschaft<br />

als gesellschaftlicher Bereich und<br />

nicht als Handlungsmodus zu verstehen ist.<br />

Eckhard Priller und Annette Zimmer referieren<br />

einige interessante Ergebnisse aus dem Johns-<br />

Hopkins-Projekt mit Blick auf die ideelle Ausrichtung<br />

im Spannungsverhältnis zu wirtschaft-

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