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Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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Die Christliche Rechte in den USA als politischer Akteur<br />

in erster Linie auf eine neue Responsivität der<br />

alten Republikanischen Parteieliten zurückgeführt<br />

werden. Vielmehr hat die Christliche Rechte<br />

die Partei durch ihre Unterwanderung responsiver<br />

gemacht (Minkenberg 1998: 341-347).<br />

Wie weit dieser Prozess einer Verschmelzung<br />

zu Beginn des neuen Jahrzehnts vorangeschritten<br />

ist, zeigen verschiedene neuere Untersuchungen.<br />

In mehreren Fällen zeichnete sich<br />

eine strukturelle Verschiebung ab: Von der anfänglichen<br />

Allianz zwischen Christlicher Rechter<br />

und Republikanern und einer späteren Symbiose<br />

zwischen Partei und Bewegung kam es<br />

zu einer Absorption der Bewegung durch die<br />

Partei und einer damit einher gehenden Professionalisierung<br />

sowie ‚Domestizierung‘. Was für<br />

die Entwicklung in Florida gilt, kann auch mit<br />

Blick auf andere Südstaaten gesagt werden: die<br />

Christliche Rechte wandelte sich „from an outsider<br />

social movement to a conventional interest<br />

group to a durable faction within a major<br />

party“ (Wald/Scher 2003: 80).<br />

Allerdings führten nach der Phase der Konsolidierung<br />

in den 1990er Jahren verschiedene<br />

innerparteiliche Faktoren zu Beginn des neuen<br />

Jahrzehnts nicht selten dazu, dass sich dieser<br />

Parteiflügel gegen andere nicht endgültig durchsetzen<br />

konnte, wie in Kansas oder Minnesota.<br />

Oder es kam dazu, dass sich die Christliche<br />

Rechte etwa in Nominierungswahlkämpfen in<br />

Gouverneurs-, Senats- oder Präsidentschaftswahlen<br />

bewusst strategisch verhielt und gemäßigteren<br />

und wählbareren Kandidaten den Vorzug<br />

gab vor denjenigen aus den eigenen Reihen<br />

oder solchen, die der Christlichen Rechten ideologisch<br />

näher stehen, wie in Virginia oder Texas<br />

(vgl. Green et al. 2003).<br />

Insgesamt zeigt sich, dass die Christliche<br />

Rechte ihre Basis in der Republikanischen Partei<br />

ausbauen konnte und sich deren Anhänger in<br />

vielerlei Hinsicht zunehmend mit der Partei identifizieren.<br />

Andersherum gilt, dass der Kern der<br />

Republikanischen Aktivisten die Bewegungsaktivisten<br />

absorbiert hat und die Christliche<br />

49<br />

Rechte und ihre Agenda weitgehend unterstützt.<br />

So stellte sich in Umfragen aus den späten<br />

1990er Jahren heraus, dass die Aktivisten der<br />

Christlichen Rechten immer noch deutlich radikalere<br />

Einstellungen haben als diejenigen der<br />

Republikanischen Partei, vor allem was die Einstellung<br />

zur Abtreibung, die Unterstützung Israels<br />

im Konflikt mit den Palästinensern, die<br />

Sympathie für die National Rifle Association<br />

und die Gegnerschaft zu liberalen Gruppen wie<br />

American Civil Liberties Union und National<br />

Organization of Women angeht. Auf der anderen<br />

Seite haben sich die Republikanischen und<br />

die christlich-rechten Aktivisten in demografischer<br />

Hinsicht (Alter, Hochschulabschluss, Einkommen,<br />

Südstaaten-Residenz) inzwischen<br />

stark angeglichen, und deutlich mehr als die<br />

Hälfte der Republikaner drücken ihre Sympathie<br />

für die Christliche Rechte aus (vgl. Green<br />

2000: Tabellen 1 und 2).<br />

Daneben ist ein wachsender Pragmatismus<br />

unter den christlich-rechten Aktivisten, z.B. im<br />

strategischen Wahlverhalten, festzustellen. Dieser<br />

stellt parallel zu den Verschiebungen auf der<br />

organisatorischen Ebene einen Übergang von der<br />

Bewegungs- zur konventionellen Partei- und<br />

Wahlkampfpolitik dar. Allerdings ist dies nicht<br />

gleichbedeutend mit Kompromissfähigkeit und<br />

Verhandlungsbereitschaft, vor allem wenn die<br />

Kernthemen der christlich-rechten Agenda auf<br />

dem Spiel stehen: „Christian rightists lag behind<br />

their GOP counterparts in willingness to negotiate,<br />

compromise, and build coalitions“ (Green<br />

2000: 30).<br />

Vor diesem Hintergrund ist die Rolle der<br />

Christlichen Rechten im Wahljahr 2000 und die<br />

daraus hervorgehende Konstellation einer<br />

besonders engen Verbindung zwischen der Bewegung,<br />

der Partei und der Kandidatur von<br />

George W. Bush zu sehen. Im Vorfeld der Wahlen<br />

galt Sen. John Ashcroft aus Missouri als<br />

Wunschkandidat der Bewegung, da er sich als<br />

Gouverneur in Missouri und später als US-Senator<br />

in zentralen Themen (traditionelle Fami-

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