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Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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tische Veränderung voran zu bringen, äh und<br />

dann auch die Autorität, bei denen vielleicht<br />

haben, die sich da noch ein bisschen sträuben,<br />

zumindest die Glaubwürdigkeit haben nich“<br />

(Herr E: 802f). Dieses christliche Handlungsideal<br />

der Lebensstilorientierung eröffnet den<br />

Raum für das Experimentieren und Einüben<br />

neuer sozialer Praktiken, für die Herstellung und<br />

Realisierung sogenannter „working utopias“<br />

innerhalb sozialer <strong>Bewegungen</strong> (Crossley 1999:<br />

809f).<br />

Zusammenfassung<br />

Bisher war von der Friedensbewegung und<br />

der christlichen Religion die Rede. Es wurde<br />

eine Homogenität unterstellt, die es so nicht<br />

gibt. Für das Christentum sei dies relativiert.<br />

Die beobachteten Zusammenhänge gelten<br />

zunächst für jene Strömung im pluralisierten<br />

Christentum, die wiederum selbst häufig einen<br />

institutionenkritischen Bewegungscharakter<br />

hat. Ihr christliches Profil begründet diese<br />

Strömung in der weltverändernden Relevanz<br />

für die Welt.<br />

Zusammenfassend gesagt besteht die Funktion<br />

der christlichen Religion in der Legitimation<br />

für nonkonformes Verhalten, da aus ihrer<br />

Sicht normkonformes Verhalten honoriert wird.<br />

Insofern ist sie ein Geburtshelfer sozialer <strong>Bewegungen</strong>.<br />

8 Aber vor allem begünstigt sie die<br />

Dauermobilisierung der Akteure, den Enttäuschungen<br />

zum Trotz. Und nicht zuletzt sind auch<br />

die Strategien der Friedensbewegung religiös<br />

durchformt und in ihrer gewalteindämmenden,<br />

antitotalitären Ausprägung ein wichtiger Beitrag<br />

für die Praxis gesellschaftlicher Veränderung.<br />

In diesen letztgenannten Funktionen ist<br />

die Religion ein Jungbrunnen sozialer <strong>Bewegungen</strong>.<br />

Vor dem Hintergrund dieser Jugendlichkeit<br />

muss man auch die kämpferische Ankündigung<br />

des 60jährigen Herrn E. sehen: „den ersten Teil<br />

eins der Revolution den haben wir gemacht und<br />

Teil zwei kommt jetzt (Herr E: 1148f)“<br />

<strong>Forschungsjournal</strong> NSB, Jg. 17, 4/2004<br />

Alexander Leistner, Studium der Soziologie,<br />

Erziehungswissenschaft und Evangelischen<br />

Theologie an der TU Dresden. Kontakt:<br />

Alex.Leistner@gmx.net<br />

Anmerkungen<br />

1 Die Interviews zitiere ich aus meiner unveröffentlichten<br />

Magisterarbeit. Die Namen der<br />

Interviewten wurden der Anonymität wegen, in<br />

der Reihenfolge ihrer Befragung, durch Buchstabenkürzel<br />

ersetzt. Die zitierte Zahl verweist<br />

auf die Zeilennummer im Interviewtext.<br />

2 Zwei Interviews wurden als Einzelfallrekonstruktionen<br />

intensiv, alle Anderen kategoriengeleitet<br />

ausgewertet.<br />

3 Dazu ist zu sagen, dass viele DDR-Oppositionelle<br />

für einen Dritten Weg votierten. Man<br />

wollte DDR bleiben, ein verbesserlicher Sozialismus,<br />

basisdemokratisch erneuert, abgerüstet,<br />

Zweidrittelwelt nicht vergessend und von ökologischen<br />

Freveln saniert.<br />

4 Die Befragten hingegen würden ihrerseits<br />

sagen, dass sie von der Religion in den Dienst<br />

genommen wurden.<br />

5 Zu den Befragten gehört eine Schlüsselfigur<br />

der Anti-AKW Bewegung, der Initiator<br />

der Ökumenischen Versammlungen in der<br />

DDR, der Gründer des ältesten Friedensseminars,<br />

sowie zahlreiche Gründungsmitglieder<br />

von Oppositionsparteien wie Neues Forum<br />

oder SDP.<br />

6 Exemplarisch deutlich wird dies an einem<br />

paradoxen Satz aus dem Neuen Testament: „Wer<br />

sein Leben retten will, der wird es verlieren,<br />

und wer es verliert, der wird es gewinnen.“ (Lukas<br />

17,33; Matthäus 10, 26 ff).<br />

7 Der religiös legitimierte Terrorismus dieser<br />

Tage folgt, will man den Selbstbeschreibungen<br />

glauben, einem entgegengesetzten Vergegenwärtigungsmodell:<br />

nicht begrenzte Mitarbeit<br />

sondern der stellvertretende Kampf gegen die<br />

Feindes Gottes. Das kirchengeschichtliche Beispiel<br />

dieser gewaltförmigen Stellvertretung ist<br />

das Münster der Täufer.

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