Vollversion (1.57 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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vilgesellschaft schwingt in vielen Beiträgen<br />
mit, zum Teil wäre eine etwas nüchternere<br />
Betrachtung günstiger. Der Band ließe sich<br />
auch schlüssig ergänzen etwa durch die Untersuchung<br />
der Mafia als zivilgesellschaftlicher<br />
Organisation bei Staatsversagen oder al<br />
Quaida als transnationalem zivilgesellschaftlichem<br />
Netzwerk. Die Beispiele machen die<br />
normative Ambivalenz deutlich, die wie für<br />
praktisch alle Phänomene, auch für das Zivilgesellschaftskonzept<br />
gilt.<br />
Breite der Beiträge<br />
Die bemerkenswerte Stärke des Bandes liegt<br />
in der Breite der Beiträge, die jeweils auf<br />
ihre Weise Aspekte von Zivilgesellschaft<br />
meist fundiert diskutieren. Hier finden sich<br />
quantifizierende Querschnittsstudien neben<br />
Fallstudien, Betrachtungen von Zivilgesellschaft<br />
in Deutschland, Europa, Indien oder<br />
transnational bis global, Diskussionen von<br />
demokratisierenden Wirkungen, aber auch<br />
Geschichten vom Scheitern – sogar der nur<br />
kurz angerissene Verweis auf die Gefahr von<br />
freiwilliger politischer Aktivität gegen den<br />
demokratischen Staat in der Weimarer Republik.<br />
Die Herausgeber haben auf eine abschließende<br />
Diskussion verzichtet, aber die<br />
Beiträge regen, gerade wenn man sie in größerer<br />
Menge rezipiert, zu weiteren Theoretisierungen<br />
und Brückenschlägen an. Dies ist<br />
die bemerkenswerte Leistung des Bandes:<br />
eine ganze Reihe interessanter, bedenkenswerter<br />
Beiträge in einem Diskurs zu Zivilgesellschaft<br />
zu leisten, in dem schon alles gesagt<br />
schien.<br />
Jochen Roose, Berlin<br />
Besprochene Literatur<br />
Gosewinkel, Dieter, Dieter Rucht, Wolfgang<br />
van den Daele und Jürgen Kocka (Hg.), 2004:<br />
Zivilgesellschaft – national und transnational.<br />
WZB-Jahrbuch 2003. Berlin: sigma.<br />
<strong>Forschungsjournal</strong> NSB, Jg. 17, 4/2004<br />
Geschlecht als politische und<br />
politikwissenschaftliche Kategorie<br />
„Hierarchisierung der Geschlechter und Ignoranz<br />
der Geschlechterverhältnisse gelten nach<br />
wie vor als konstitutiv für politikwissenschaftliches<br />
Denken und Analysieren“ (Sauer/Rosenberger:<br />
11). Dies ging solange gut, bis vor über<br />
20 Jahren transdisziplinär arbeitende und bewegungsverbundene<br />
Frauenforscherinnen ihren<br />
kritischen Blick auch auf die Politikwissenschaft<br />
zu richten begannen. Die Dekonstruktion<br />
impliziter maskulinistischer Annahmen ihrer<br />
Schlüsselbegriffe ist seither im Gange, doch trotz<br />
(oder auch wegen) ihrer destabilisierenden Wirkung<br />
wird sie von ihren AdressatInnen nur unzureichend<br />
wahr- bzw. ernst genommen.<br />
Streitbare Anfänge<br />
Ein Großteil der Zielgruppe des Studienbuches<br />
,Politikwissenschaft und Geschlecht‘ kennt die<br />
Rahmenbedingungen der streitbaren Anfänge<br />
heute nur mehr vom Hörensagen. Nicht so die<br />
Autorinnen, die die inzwischen erfolgte Disziplinierung<br />
und Diversifizierung der politikwissenschaftlichen<br />
Frauen- und Geschlechterforschung<br />
mit erlebt und geprägt haben. Sie haben<br />
auch die Rekonstruktion, also das Engendering<br />
eben jener ,klassischen‘ Konzepte ihrer eigenen<br />
wissenschaftlichen Baustelle, mit betrieben, und<br />
stellen diese ganz bewusst in den Mittelpunkt<br />
des kollektiv konzipierten Sammelbandes:<br />
Macht und Herrschaft, Staat, Recht und Institutionen,<br />
Öffentlichkeit und Privatheit, Arbeit und<br />
Arbeitsteilung, Demokratie, Partizipation und<br />
Repräsentation, Identität und Interesse, Krieg<br />
und Frieden. Diese Begriffe allein lassen wenig<br />
Feministisches erahnen, da sie inmitten dessen<br />
liegen, was ohnehin den Mainstream konstituiert.<br />
Doch das Konzept geht auf. Die kritischreflexive<br />
In(tro)spektion des Faches selbst, des<br />
Malestream hegemonialer Sichtweisen einer<br />
wissenschaftlichen Disziplin, ist Ausgangspunkt<br />
und Ziel der Textsammlung.