Möbel und Einrichtungsgegenstände
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<strong>Möbel</strong><br />
DER PFYFFERSCHE GEDENKTEPPICH<br />
HOCHBEDEUTENDE SCHWEIZER WOLLSTICKEREI DES<br />
17. JAHRHUNDERTS<br />
VON 1616 BIS 2012 IN UNUNTERBROCHENEM FAMILIENBESITZ DER PFYFFERVON ALTISHOFEN<br />
1148. Hochbedeutende Wollstickerei, schweizerisch, wohl Luzern oder Basel, 1616. Hochformatiger<br />
Teppich mit umlaufender Bordüre. Blaues Feld mit rosettenartigen Buchara-Oktogonen mit Wellenkanten<br />
in Farbtönen von Rotbraun, Weiss <strong>und</strong> Blau von feinster Abstufung. Zwischen den Oktogonen mit gedrücktem<br />
Buchara-Stern sowie verkleinerten Rosetten <strong>und</strong> feinsten geometrischen Mustern als reduzierte<br />
florale Motive. Im Zentrum, noch ganz in gotischer Manier, ein gew<strong>und</strong>ener Rosenkranz, der zu allen diesen<br />
umgebenden oktogonalen Rosetten Bezug nimmt <strong>und</strong> aus diesen emporwächst, bzw. diese mit dem Kranz<br />
vereint. Inmitten des Kranzes das prachtvolle Allianzwappen zweier der bedeutendsten Familien der alten<br />
Eidgenossenschaft, mit Pfyffer von Altishofen <strong>und</strong> Püntener von Brunberg, datiert 1616 <strong>und</strong> mit den Initialen:<br />
H H P R Herr Heinrich Pfyffer Ritter<br />
<strong>und</strong><br />
F M P B Frau Maria Püntener Brunberg.<br />
Das Wappen des Ritters Heinrich Pfyffer von Altishofen ist geviert von Pfyffer von Altishofen, in Gelb, darin<br />
das schwarze Mühleisen, begleitet von drei blauen Lilien <strong>und</strong> dem Wappen des savoyischen Mauritiusordens<br />
in Form eines weissen Kleeblattkreuzes. Das Wappen der Maria Elisabeth Püntener von Brunberg, geviert,<br />
mit in Gelb ein schwarzer Stierkopf mit rotem Nasenring <strong>und</strong> in Schwarz mit gelbem Feuerstahl, überhöht<br />
von weissem Kreuz. 260:193 cm. 100 000.—/150 000.—<br />
Provenienz:<br />
Maria Elisabeth Pfyffer von Altishofen, seit 1616<br />
Durch Erbschaft in ununterbrochener Familienfolge der Pfyffer von Altishofen verblieben<br />
Zum Allianzteppich Pfyffer von Altishofen-Püntener von Brunberg aus dem Jahre 1616<br />
Die Wappen <strong>und</strong> Initialen des die Jahrzahl 1616 tragenden gestickten Textils lassen sich dem Ehepaar Heinrich Pfyffer von Altishofen <strong>und</strong><br />
Maria Elisabeth Püntener von Brunberg zuordnen:<br />
Herr Heinrich Pfyffer Ritter (H.H.P.R.) <strong>und</strong> Frau Maria Elisabeth Püntener (von) Brunberg (F.M.P.B.).<br />
Heinrich Pfyffer von Altishofen (gest. 1616) war der Sohn des berühmten Schultheiss Ludwig Pfyffer (1524–1594), der als «Schweizerkönig»<br />
in die Geschichte eingegangen ist, <strong>und</strong> dessen zweiter Gattin Jakobea Segesser von Brunegg.<br />
In guter Familientradition widmete sich Heinrich den fremden Diensten <strong>und</strong> diente als Hauptmann in savoyischen Diensten. Das<br />
Geschlecht der Pfyffer war seit einem 1576 vom Staat Luzern abgeschlossenen Vertrag tonangebend in den Beziehungen zum Hause<br />
Savoyen. Das Ritterkreuz des Maurizius- <strong>und</strong> Lazarusordens, 1434 von Herzog Amadeo VIII. von Savoyen gestiftet, 1572 von Emanuele<br />
Filiberto erneuert <strong>und</strong> von Papst Gregor XIII. gesegnet, ist im gevierten Wappen Heinrichs festgehalten <strong>und</strong> in den Initialen sein Ritterstand<br />
vermerkt.<br />
Wann er die Ehe mit Maria Elisabeth Püntener schloss ist nicht bekannt. Ihre Lebensdaten bleiben bisher im Dunkeln. Sie war die Tochter<br />
des Urner Landammanns <strong>und</strong> Ritters Ambros (gest. 1598) <strong>und</strong> dessen erster Gemahlin Ursula Magoria von Locarno. Ambros Püntener<br />
erhielt an der 1598 in Luzern stattfindenden Tagsatzung den Auftrag, die Sold- <strong>und</strong> Pensionsausstände von der französischen Krone<br />
einzufordern. Wohl als Dank <strong>und</strong> Anerkennung für diese Dienste erhielten er <strong>und</strong> seine beiden Söhne das Luzerner Ehrenbürgerrecht<br />
zugesprochen. Ob zu diesem Zeitpunkt die Tochter bereits Heinrich Pfyffer geehelicht hatte, bleibt abzuklären. Sicher ist, dass die Vermählung<br />
nach 1588 stattfand, denn Maria Elisabeths erster Gatte Jakob a Pro verstarb in diesem Jahr. Dieser war der Sohn des Urner Landammanns<br />
Peter (gest. 1585), welcher 1585 zusammen mit Ludwig Pfyffer dem französischen König keine Truppen bewilligen wollte, da der<br />
Monarch bei den beiden Soldunternehmern Schulden hatte.A Pro, welcher Jahre als Oberst in savoyischen Diensten verbracht hatte, zeigte<br />
sich skeptisch gegenüber der Ansicht Ludwig Pfyffers, dass das Haus Savoyen die wahre Stütze der Katholischen in der Schweiz sei.<br />
Die Jahrzahl «1616», die gleichzeitig das Todesjahr Heinrich Pfyffers markiert, scheint auf den ersten Blick wenig plausibel. Ein solcher<br />
«Allianzteppich» wäre eher als Anschaffung im Zuge einer Vermählung erklärbar. In diesem Fall handelt es sich wohl aber tatsächlich um<br />
einen Memorialgegenstand, den die Witwe in Auftrag gab. Beim Tod ihres ersten Mannes liess Maria Elisabeth Püntener nämlich ein<br />
Bronzerelief-Tondo mit den Wappen a Pro <strong>und</strong> Püntener <strong>und</strong> der Inschrift «bie ligt der edell vest <strong>und</strong> wiss Herr h. iacob von pro landt’s<br />
fendrich starb den 22.Tag april anno 1588 got gnad der seel – dis wapen hat machen lassen die edell tugendreiche trauw f. maria elisabetha<br />
bünterin sein gewesne egmahl» giessen 1 . Anders als bei der für den Begräbnisplatz des letzten männlichen a Pro bestimmten Bronzeplatte<br />
sollte der Allianzteppich als textiles Memorialstück an die Kinder <strong>und</strong> Kindeskinder weitergereicht werden. Die direkte männliche<br />
Deszendenz von Heinrich Pfyffer von Altishofen <strong>und</strong> Maria Elisabeth Püntener von Brunberg erlosch zwar mit ihren Enkeln<br />
Heinrich <strong>und</strong> Ludwig, dennoch verbleib der Teppich bis 2012, also fast 400 Jahre im Besitz der Familie Pfyffer.<br />
Register Seite 111–112