Untitled - Elternverein Baden-Württemberg
Untitled - Elternverein Baden-Württemberg
Untitled - Elternverein Baden-Württemberg
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
54<br />
CURRICULUM CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates Grundtvig 1.1 Projekt<br />
2. Modul<br />
„Elternpartizipation in Bildungsprozessen”<br />
eine Einstellungsänderung bewirken. Auch sie<br />
haben sich auf einen weiten Bildungsbegriff<br />
einzustellen, der sich bewusst von einer Verengung<br />
auf funktionsorientierte schulische Bildung<br />
abgrenzt, frühe Bildungsentmutigungen<br />
in der Vorschulzeit vermeidet und auf Bildungsermutigung<br />
gerichtet ist.<br />
Ein Gelingen dieses Perspektivenwechsels<br />
setzt gerade auf Elternseite Verständigungsarbeit<br />
voraus. Auch sie müssen den veralteten<br />
Lernbegriff revidieren, der davon überzeugt ist,<br />
dass man den Kindern einfach Wissen, Fähigkeiten,<br />
Fertigkeiten, Qualifikationen beibringen<br />
und diese wie in einem vorgefertigten Katalog<br />
abhaken und überprüfen könne. Dagegen steht<br />
die Auffassung vom aktiv-konstruierenden<br />
Kind, das seine Wahrnehmungs-, Deutungsund<br />
Handlungsmuster zu einem Selbst- und<br />
Weltbild zunehmend ausdifferenziert und im<br />
Kindergarten auf einen reichen Kontext angewiesen<br />
ist. Eltern wie Erzieherinnen müssen<br />
sich der Bedeutung frühkindlicher Bildungsprozesse<br />
bewusst werden und ihre Erziehungsarbeit<br />
als Antwort von erwachsenen Personen<br />
auf die Bildungsbewegung des Kindes begreifen.<br />
Die Bildungsprozesse bleiben Sache des<br />
Kindes, aber Erziehung ermöglicht und unterstützt<br />
sie und fordert sie auf immer höherem Niveau<br />
heraus. Verständigung über Bildung und<br />
Erziehung ist vor dem Hintergrund eines ausdifferenzierten<br />
und oft kontroversen Diskussionshintergrunds<br />
eine vordringliche Aufgabe<br />
zwischen Kindergarten und Elternhaus. Dabei<br />
fehlt es an kompetenten Moderatoren, mit<br />
deren Hilfe ein “public understanding of science”<br />
auf Elternseite befördert und ihnen Teilhabe am<br />
Diskurs über Bildung und Erziehung ermöglicht.<br />
Das Selbstverständnis der Schule ist durch<br />
den grundgesetzlichen Anker in Artikel 7 des<br />
Grundgesetzes geprägt: „Das gesamte Schulwesen<br />
steht unter der Aufsicht des Staates.“<br />
Hierin gründen hoheitliche Traditionen, die<br />
auch in Formen und Haltungen mit Eltern ihren<br />
Niederschlag finden. Sie werden gleichsam mit<br />
ihrem Kind eingeschult in eine Schule, die zu<br />
Beginn besonders durch die Erwartung der<br />
Schulfähigkeit und Schulbereitschaft geprägt<br />
ist. Lehrkräfte setzen voraus, dass im Kindergarten<br />
“systematischer” gelernt werden muss.<br />
Sie konzentrieren sich noch immer allzu sehr<br />
I. Transition<br />
auf die sogenannten Defizite der Kinder und<br />
deren unzureichende Vorbereitung auf die<br />
schulische Anforderungsstruktur. So sehen sich<br />
die Eltern konfrontiert mit hohen Leistungserwartungen,<br />
die viele ungebremst an die Kinder<br />
weitergeben und dabei Überbeanspruchung<br />
und Überforderung in Kauf nehmen. Andere<br />
wiederum versuchen “Kinder-Zeit” zu gewinnen,<br />
indem sie Kinder vom Schulbesuch zurückstellen<br />
und ihnen noch ein Jahr Schonraum gewähren.<br />
In beiden Fällen ist die Beziehung<br />
zwischen Schule und Familie durch Unterlegenheitsgefühle<br />
bestimmt. Den Eltern wird die<br />
Kompetenz abgesprochen, schulisches Lehren<br />
und Lernen qualifiziert beurteilen zu können;<br />
die Lehrerinnen und Lehrer fühlen sich im Hinblick<br />
auf die kindliche Persönlichkeitsentwicklung<br />
unterlegen, weil sie diese der elterlichen<br />
Erziehungsleistung zuweisen. Im Erziehungsalltag<br />
der Schule führt dies zu Rivalitätskonflikten,<br />
die auf beiden Seiten Ängste aufbauen.<br />
Die Ängste der Eltern – obwohl empirisch kaum<br />
erforscht – rühren aus diesen Unterlegenheitsgefühlen.<br />
Je niedriger der Bildungsstatus der<br />
Eltern, desto mehr Angst haben sie vor den<br />
akademisch gebildeten Lehrern. Je weniger<br />
sich Eltern kompetent für schulische Lernsituationen<br />
fühlen, desto mehr sind ihre Kinder den<br />
Lehrerinnen und Lehrern ausgeliefert und<br />
desto weniger Hilfe können sie von den Eltern<br />
erhalten. Aber auch die Lehrer haben, obwohl<br />
sie in der überlegenen Position sind, dennoch<br />
mit Ängsten unterschiedlicher Art zu kämpfen:<br />
î - Leistungsängste, die bei hohen Leistungserwartungen<br />
der Eltern oder Vorgesetzten<br />
auftreten;<br />
î - Autoritätsängste, die mit Ansprüchen der<br />
Eltern an das Sozialverhalten in Schulklassen<br />
zusammenhängen;<br />
î - Helferängste, die dann auftreten, wenn<br />
sie über ihren Schatten springen wollen,<br />
und sich doch bei persönlichen Schwierigkeiten<br />
ihrer Schüler in der Familie oder anderswo<br />
engagieren;<br />
î - Kompetenzängste, die bei Lehrerinnen<br />
und Lehrern im Umgang mit solchen Eltern<br />
entstehen, die selbst Lehrer sind oder<br />
als hoch qualifizierte Fachleute ein Unterlegenheitsgefühl<br />
entstehen lassen.