89. Sitzung - Bayerischer Landtag
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6344 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> · 14.Wahlperiode Plenarprotokoll 14/89 v. 15.05.2002<br />
Erster Vizepräsident Dr. Ritzer: Herr Staatsminister.<br />
Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministerium):<br />
Das ist mir bekannt. Ich bin selbst in der Forstwirtschaft<br />
tätig gewesen und habe selbst eine Borreliose<br />
gehabt. Ich kann aus eigener Erfahrung empfehlen, sich<br />
unmittelbar zum Arzt zu begeben, wenn nach einem<br />
Zeckenstich ein roter Hof um den Stich auftritt. Dann<br />
kann durch eine gezielte Behandlung mit Antibiotika, die<br />
etwa eine Woche dauert, die von Ihnen richtig geschilderte<br />
dramatische Folge vermieden werden. Ein guter<br />
Freund von mir lag wegen eines solchen Zeckenstichs<br />
ein Jahr im Krankenhaus.<br />
Sinnvoll ist es, die Menschen schon vorher darauf hinzuweisen,<br />
dass sie sich vor Zecken schützen können,<br />
indem sie Autan oder andere Mittel einsetzen, wenn sie<br />
sich in der freien Natur bewegen.<br />
Erster Vizepräsident Dr. Ritzer: Die nächste Fragestellerin<br />
ist Frau Kollegin Hecht.<br />
Frau Hecht (SPD) (von der Rednerin nicht autorisiert):<br />
Herr Staatsminister, wie sieht es mit den aktuellen<br />
Erkenntnissen zur Epidemiologie der neuen Variante der<br />
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit in Bayern aus?<br />
Erster Vizepräsident Dr. Ritzer: Herr Staatsminister.<br />
Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministerium):<br />
Herr Präsident, Hohes Haus! Frau Kollegin Hecht,<br />
es gibt keine Fälle der neuen Variante der Creutzfeldt-<br />
Jakob-Krankheit in Deutschland oder Bayern.<br />
Wir haben im Rahmen der Verbraucherinitiative eine<br />
„Risikoanalyse im Zusammenhang mit dem Auftreten<br />
von BSE einschließlich der Prävalenzstudie von CJK in<br />
Bayern“ an die Arbeitsgemeinschaft BSE/Creutzfeldt-Jakob-Krankheiten<br />
an der Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München vergeben. Das Projekt wird zunächst als zweijährige<br />
Studie durchgeführt. Es enthält zur Abschätzung<br />
des Gefährdungspotentials für den Verbraucher ein Teilprojekt<br />
„Prognose von vCJK-Fällen“ unter Leitung von<br />
Prof. Dr. Kretschmar. Ein Zwischenbericht wird im Juli<br />
2003 vorgelegt werden. Der Abschlussbericht soll Mitte<br />
Januar 2004 vorliegen. Ich werde den <strong>Landtag</strong> und die<br />
Öffentlichkeit über den Zwischenbericht und den<br />
Abschlussbericht informieren.<br />
Ich kann ergänzend über den Artikel „Prionen und der<br />
„BSE-Wahnsinn“: Eine kritische Bestandsaufnahme“ der<br />
Autoren Sucharit Bhakdi und Jürgen Bohl berichten, der<br />
im „Deutschen Ärzteblatt“ vom 26. April 2002 veröffentlicht<br />
wurde. In diesem Artikel wird davon ausgegangen,<br />
dass mit maximal sechs Fällen der neuen Variante der<br />
Creutzfeld-Jakob-Krankheit bis zum Jahr 2040 zu rechnen<br />
sei, wenn trotz aller Vorsichtsmaßnahmen etwa 100<br />
erkrankte Tiere in Deutschland zu Lebensmitteln verarbeitet<br />
wurden und in die Nahrungskette des Menschen<br />
gelangt sind. Das ist eine Prognose, die ich jetzt nicht<br />
hinterfragen kann. Etwas Besseres liegt im Augenblick<br />
jedoch nicht vor.<br />
Wenn alle 1000 BSE-Rinder, die es im Moment in<br />
Europa mit Ausnahme von Großbritannien gibt, verzehrt<br />
worden wären, dann würden wir auf maximal 60 Fälle in<br />
Europa kommen. Dies ist die Einschätzung des Artikels<br />
im „Ärzteblatt“. Wir werden dagegen in der Zeit bis 2040<br />
Tausende von spontanen Creutzfeldt-Jakob-Erkrankungen<br />
in Europa erleben.<br />
Erster Vizepräsident Dr. Ritzer: Eine Zusatzfrage: die<br />
Fragestellerin.<br />
Frau Hecht (SPD) (von der Rednerin nicht autorisiert):<br />
Herr Staatsminister, in England sind an dieser Krankheit<br />
schon 100 Personen verstorben. BSE und die neue<br />
Form der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit kommen zeitverzögert<br />
nach Deutschland. Sind wir darauf vorbereitet?<br />
Könnten wir reagieren, wenn es bei uns zu dieser<br />
Erkrankung kommt? Der Bericht wird doch erst nächstes<br />
Jahr erstattet.<br />
Erster Vizepräsident Dr. Ritzer: Herr Staatsminister.<br />
Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministerium):<br />
Frau Kollegin, wir reagieren darauf, indem wir die<br />
Infektionskette unterbrechen. Wir sind im Begriff, durch<br />
Obduktionen Erkrankungsfälle besser erfassen zu können.<br />
Viele Fälle sind möglicherweise nicht erfasst, weil<br />
nicht obduziert wird.<br />
Die Erkrankungen in England beruhen darauf, dass in<br />
England über 180000 erkannte BSE-Fälle aufgetreten<br />
sind. Es wird angenommen, dass es in England insgesamt<br />
etwa 1 Million BSE-Fälle gegeben hat. Somit sind<br />
nicht alle BSE-Fälle erkannt worden. Es ist davon auszugehen,<br />
dass dieses Potenzial über viele Jahre in die<br />
Nahrungskette des Menschen gelangt ist.<br />
Die Engländer essen mit Vorliebe Pasteten. Die Erkrankungen<br />
sind bei den Personen verstärkt aufgetreten,<br />
deren Lieblingsspeisen Pasteten waren. Das bedeutet,<br />
dass in den Pasteten Risikomaterialien verwendet worden<br />
sind.<br />
Im Vergleich dazu gibt es mit Ausnahme des Vereinigten<br />
Königsreichs in ganz Europa 1000 BSE-Fälle. Daran<br />
kann man abschätzen, dass die im „Ärzteblatt“ zitierte<br />
Größenordnung relativ wahrscheinlich ist. In der<br />
Schweiz gab es unter 1,5 Millionen Rindern nur 400<br />
BSE-Fälle, jedoch keinen einzigen Fall einer Erkrankung<br />
an der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit<br />
beim Menschen.<br />
Das heißt, das kann man jetzt abschätzen. Deshalb wollen<br />
wir eine fundierte Risikoanalyse speziell für Bayern<br />
haben. Im Augenblick gehen wir so vor, dass wir das<br />
Risikomaterial entnehmen, die Infektionskette unterbrechen<br />
und beobachten, ob diese Krankheit auftritt. Diesbezüglich<br />
sind erhebliche Forschungsaktivitäten im<br />
Gange und nur aufgrund dieser Forschungsaktivitäten<br />
können wir das abschätzen. Aber die Größenordnungen,<br />
um die es sich drehen kann, habe ich Ihnen, glaube ich,<br />
jetzt angeben können.