89. Sitzung - Bayerischer Landtag
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Plenarprotokoll 14/89 v. 15.05.2002 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> · 14.Wahlperiode 6393<br />
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Dr.<br />
Heinz Köhler, Wörner und Fraktion (SPD)<br />
Gesetz zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen<br />
Aufträgen und zur Einrichtung eines Registers über<br />
unzuverlässige Unternehmen (Drucksache 14/9445)<br />
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück,<br />
Dinglreiter, Traublinger und Fraktion (CSU)<br />
Öffnungsklausel für landesrechtliche Tariftreueregelungen<br />
(Drucksache 14/9458)<br />
Ich eröffne dazu die gemeinsame Aussprache. Das Wort<br />
hat der Herr Kollege Wörner.<br />
Wörner (SPD): Herr Präsident, meine Damen und Herren!<br />
Man ist vor keiner Überraschung sicher, schon gar<br />
nicht, wenn irgendwo Wahlkampf ist, an dem ein gewisser<br />
Herr Stoiber beteiligt ist. Bis vor kurzem noch gingen<br />
wir davon aus, dass das Tariftreuegesetz so verabschiedet<br />
wird, wie es im Bundestag beschlossen wurde. Es<br />
wurde in den Bundesrat eingebracht und selbst dort hat<br />
Europaminister Bocklet noch gesagt: „Hintergrund für<br />
die in Bayern angestrebte Lösung der Tariftreuefrage ist<br />
eine Vereinbarung im Beschäftigungspakt Bayern.“<br />
Und nun soll dies alles nicht mehr gelten, weil es offensichtlich<br />
nicht in die Wahlkampfstrategie des Herrn Kandidaten<br />
passt. Der Herr Kandidat schielt nach Osten.<br />
Bisher hat er immer darüber geklagt, dass die Menschen<br />
dort zu viel Geld bekämen. Jetzt muss er dort Boden gutmachen.<br />
Er glaubt, beim Tariftreuegesetz diesen Boden<br />
gutmachen zu können, und irrt dabei. Er irrt nämlich deshalb,<br />
weil es den neuen Bundesländern gar nichts nutzt,<br />
wenn das Tariftreuegesetz dort anders sein soll als bei<br />
uns, weil aus dem ferneren Osten, sprich aus Polen und<br />
anderen Ländern, gerade im öffentlichen Nahverkehr<br />
und dem Bausektor der Druck enorm ist, wie Sie alle wissen.<br />
Meine Damen und Herren, wir haben deshalb einen<br />
Dringlichkeitsantrag gestellt, um die Bayerische Staatsregierung<br />
aufzufordern, dem Tariftreuegesetz zuzustimmen<br />
und ein Register über unzuverlässige Unternehmen<br />
einzurichten. Wir begründen das damit, dass wir glauben,<br />
dass der Wettbewerb im öffentlichen Nahverkehr zu<br />
Verwerfungen geführt hat, die nicht mehr hinnehmbar<br />
sind – weder für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer<br />
noch für den Mittelstand.<br />
(Hoderlein (SPD): Richtig!)<br />
Mich wundert, dass der mittelständische Sprecher der<br />
CSU nicht aufschreit, wenn sein Ministerpräsident beim<br />
Tariftreuegesetz nicht mehr mitspielen will, denn es ist<br />
doch gerade der Mittelstand, der darunter leidet, wenn<br />
am Lohn gedreht und immer weiter nach unten gedrückt<br />
wird.<br />
Die Kleinen bleiben dabei auf der Strecke, meine Damen<br />
und Herren, nicht nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,<br />
sondern auch die kleinen Unternehmer, die in<br />
der Regel tariftreu sind. Es geht ja um die schwarzen<br />
Schafe. Es wundert mich wirklich, warum Herr Stoiber<br />
jetzt dagegen spricht, diese schwarzen Schafe einzugrenzen,<br />
diesen schwarzen Schafen Grenzen zu zeigen.<br />
Wenn ich Ihren Dringlichkeitsantrag lese, in dem Sie<br />
erklären, Sie wollten das eigentlich auch, aber Sie wollten<br />
eine Öffnungsklausel für Bayern, frage ich: Warum<br />
denn? Das, was in Bayern bisher existiert hat, war doch<br />
Papier, unkontrolliertes Papier ohne jede Möglichkeit<br />
zuzuschlagen, wenn sich jemand nicht daran hält. Selbst<br />
Vertreter der Landkreise um München haben sich nicht<br />
um diese Regelung, die aus dem Wirtschaftsministerium<br />
stammt, geschert, sondern haben in der Regel die<br />
genommen, die am billigsten waren. Das geht heute im<br />
öffentlichen Nahverkehr bei einem Lohnkostendruck von<br />
80% nur dadurch, dass man die Löhne drückt.<br />
Jeder hat gewusst, dass er dann, wenn er diesen Wettbewerb<br />
einführt, Schutzzäune errichten muss, um die<br />
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schützen. Jetzt<br />
wollen wir dies im Bund tun und plötzlich fällt der Herr<br />
Ministerpräsident um.<br />
Das Tariftreuegesetz schützt ja auch das soziale Netz.<br />
Wir wissen doch alle, was es bedeutet, wenn die Löhne<br />
nach unten gehen. Das bedeutet Mindereinnahmen in<br />
den sozialen Systemen und damit eine Schwächung der<br />
sozialen Systeme. Schon aus diesem Grunde kann es<br />
doch nicht sein, dass wir da sehenden Auges ins<br />
Dilemma laufen. Das führt doch dazu, dass langfristig<br />
die Löhne so weit unten sind – das haben wir ja schon<br />
zum Teil heute –, dass die Unternehmen keine Beschäftigten<br />
mehr bekommen. Die Beschäftigten, die sie<br />
bekommen, müssten dann, um sich das Leben leisten zu<br />
können, Überstunden ohne Ende machen.<br />
Es kann doch hier niemand sitzen, der sehenden Auges<br />
in das Unglück der Unsicherheit im öffentlichen Nahverkehr<br />
läuft. Wir wollen doch keine englischen Verhältnisse.<br />
Wir wollen nicht, dass sich Menschen, die fahren<br />
müssen, ihr Leben nur noch mit Überstunden leisten<br />
können und deshalb unausgeschlafen, unsicher Fahrzeuge<br />
bewegen. Das kann doch nicht das Ziel des Wettbewerbs<br />
gerade im öffentlichen Nahverkehr sein. Wir<br />
wollen das verhindern und dazu bedarf es des Tariftreuegesetzes,<br />
um sicherzustellen, dass die vor Ort von der<br />
ansässigen Gewerkschaft ausgehandelten Tarifverträge<br />
eingehalten werden.<br />
Kolleginnen und Kollegen, man muss sich einmal eines<br />
vorstellen: Tarife sollten in der Regel eingehalten werden.<br />
Das war bisher eine Spielregel dieser sozialen<br />
Marktwirtschaft. Diese Spielregel wird zunehmend ausgehebelt.<br />
Wir sehen dabei zu und so mancher reibt sich<br />
sogar noch die Hände und sagt: Passt schon!<br />
Wir machen aber in Wirklichkeit eines: Wir machen eine<br />
unsichere Welt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer<br />
auf und wundern uns dann darüber, wenn sie so manchem<br />
von denen nachlaufen, über die wir alle unglücklich<br />
sind.<br />
Dem Herrn Ministerpräsidenten muss man ins Stammbuch<br />
schreiben: Wenn er dieses Tariftreuegesetz nicht<br />
unterschreibt, wenn Bayern diesem Gesetz nicht<br />
zustimmt, betreibt er damit langfristig betrachtet nichts