89. Sitzung - Bayerischer Landtag
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Plenarprotokoll 14/89 v. 15.05.2002 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> · 14.Wahlperiode 6365<br />
schaftsunterkünften untergebracht sind, bestreiten 2191<br />
ihren Lebensunterhalt selbst. Nur 709 beziehen Leistungen<br />
nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.“ Diese<br />
Zahl macht doch deutlich, dass die dezentrale Unterbringung<br />
Kosten spart und deshalb zu fördern ist, da sie den<br />
Menschen eine Selbstversorgung ermöglicht, sie zu integrieren<br />
hilft und von staatlichen Leistungen unabhängig<br />
macht.<br />
Geht es nach Ihrem Gesetz, dann sollen künftig diejenigen<br />
Flüchtlinge, die ihrer so genannten Mitwirkungspflicht<br />
bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten<br />
nicht nachkommen, überhaupt keine Chance mehr<br />
erhalten, außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften<br />
untergebracht zu werden. Dies ist ja auch im Gesetzgebungsverfahren<br />
jetzt noch einmal massiv verschärft worden.<br />
Das bayerische Innenministerium schätzt diese Zahl<br />
aber auf 85 bis 90% der Ausreisepflichtigen, also zum<br />
Beispiel der Geduldeten, und bei bestimmten Herkunftsländern<br />
geht das Innenministerium generell von einer<br />
fehlenden Mitwirkungsbereitschaft bei der Passbeschaffung<br />
aus. Hier werden die Flüchtlinge in Sippenhaft<br />
genommen. Wer beispielsweise aus dem Irak kommt,<br />
gilt danach generell als jemand, der bei der Passbeschaffung<br />
nicht mitwirkt; er gehört damit zu denjenigen,<br />
die in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht werden<br />
und nie mehr eine Chance haben, da herauszukommen.<br />
Ich frage mich sowieso, wie sich das bayerische Innenministerium<br />
insgesamt diese Mitwirkungspflicht bei der<br />
Beschaffung von Heimreisedokumenten vorstellt. Nehmen<br />
wir an, ein Togolese, der vor dem Eyadema-Regime<br />
geflohen ist, bekommt aufgrund der Drittstaatenregelung<br />
kein Asyl und ist auch nicht über die Genfer Konvention<br />
geschützt. Dessen Verfahren also wird abgelehnt. Die<br />
Staatsregierung stellt sich danach vor, dass dieser<br />
Mensch dann zur togolesischen Botschaft geht und sagt:<br />
Ja, ich bin zwar gegen euer Regime, habe in Deutschland<br />
einen Asylantrag gestellt, der ist aber abgelehnt<br />
worden; bitte, gebt mir Heimreisepapiere! – Das macht<br />
kein Mensch, der politisch verfolgt ist! Und die ganzen<br />
Botschaftsvorführungen, die wir hier in Bayern diesbezüglich<br />
haben, sind ja fast vollkommen erfolglos, denn<br />
derjenige, der vor einem Regime geflohen ist, geht nicht<br />
dorthin zurück, sondern sucht sich dann ein anderes<br />
Aufnahmeland.<br />
Also: Diese fehlende Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung<br />
von Heimreisepapieren ist ein willkürliches Instrument<br />
der bayerischen Behörden. Man benutzt es dann<br />
dafür, bestimmte Flüchtlingsgruppen unter Druck zu setzen.<br />
Es gibt, meine Damen und Herren, für mich einen ganz<br />
klaren Zusammenhang zwischen diesem Gesetz und<br />
den vom Innenministerium geplanten „Abschiebeknästen“<br />
in Bayern. Dieses Gesetz regelt die Unterbringung<br />
von Flüchtlingen restriktiver, zentralistischer und wird<br />
sich damit desintegrierend auf diese Flüchtlingsgruppe<br />
auswirken. Damit schafft dieses Gesetz die organisatorischen<br />
Voraussetzungen für die im bayerischen Innenministerium<br />
geplanten Ausreisezentren. So einem Gesetz,<br />
meine Damen und Herren, auch wenn es einen guten<br />
Teil enthält, können wir beim besten Willen nicht zustimmen.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der<br />
Abgeordneten Frau Werner-Muggendorfer (SPD))<br />
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Frau<br />
Staatsministerin Stewens.<br />
Frau Staatsministerin Stewens (Sozialministerium):<br />
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und<br />
Kollegen! Heute steht zur abschließenden Beratung der<br />
Entwurf eines Gesetzes über die Aufnahme und Unterbringung<br />
der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz,<br />
kurz Aufnahmegesetz, an. Dabei<br />
muss ich eingangs gleich sagen, dass vieles von dem,<br />
was Sie, Frau Kollegin Köhler, angemahnt haben bzw. in<br />
der Diskussion vorgetragen worden ist, gar nicht Gegenstand<br />
der Regelungen dieses Gesetzes ist.<br />
(Zuruf der Frau Abgeordneten Elisabeth Köhler<br />
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))<br />
Nach diesem Aufnahmegesetz übernimmt der Staat alle<br />
nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigten<br />
Personen in seine Ausgaben- und Aufgabenzuständigkeit.<br />
Bislang war der Staat nur für die Asylbewerber<br />
im laufenden Verfahren zuständig, während die<br />
Zuständigkeit für die Unterbringung und die soziale Versorgung<br />
der Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge, der<br />
geduldeten und ausreisepflichtigen Personen sowie<br />
abgelehnten Asylbewerber bei den Bezirken lag. Diese<br />
haben dann die Aufgabe vollständig auf die Landkreise<br />
und kreisfreien Städte delegiert.<br />
Es ist nun das Bestreben der Staatsregierung, die kommunale<br />
Ebene von dieser finanziellen Belastung zu<br />
befreien und gleichzeitig zu einer Verwaltungsvereinfachung<br />
beizutragen. In Zeiten, meine Kolleginnen und<br />
Kollegen, in denen die Finanzmisere der Kommunen<br />
aufgrund der Politik der Bundesregierung immer mehr<br />
zunimmt, will die Staatsregierung damit die Leistungskraft<br />
unserer Kommunen stärken und auch deren finanzielle<br />
Spielräume erweitern, die finanziellen Spielräume<br />
der Kommunen nämlich für neue Investitionen.<br />
Die Kosten, die durch diese Rechtsänderung auf den<br />
Staatshaushalt zukommen, betragen in diesem Jahr 35<br />
Millionen Euro und ab dem nächsten Jahr 70 Millionen<br />
Euro. Ab dem Jahr 2003 also werden die Kommunen um<br />
70 Millionen Euro entlastet.<br />
Die Anerkennung für diese massive Kostenentlastung<br />
spiegelt sich auch in den Stellungnahmen der kommunalen<br />
Spitzenverbände wider. Bei der Verbandsanhörung<br />
ist dieses Gesetz auf große Zustimmung gestoßen.<br />
Lediglich die Landeshauptstadt München hat den<br />
Wunsch vorgetragen, die Aufgabe der Unterbringung auf<br />
die Kommunen zurückzudelegieren. Aber der Bayerische<br />
Städtetag hat sich diesem Wunsch ausdrücklich<br />
nicht angeschlossen. Im Interesse einer durchgängigen<br />
und schlüssigen Regelung und einer einheitlichen