89. Sitzung - Bayerischer Landtag
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6400 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> · 14.Wahlperiode Plenarprotokoll 14/89 v. 15.05.2002<br />
Grundschulen seien zu einem späteren Zeitpunkt<br />
geplant. Frau Behler plant also das, was wir in Bayern<br />
praktizieren werden, auch in Nordrhein-Westfalen, weil<br />
sie weiß, dass sie nur so eine Steigerung der Qualität an<br />
ihren Schulen erreichen kann. Sie betonte, dass sie sich<br />
in der Kultusministerkonferenz für regelmäßige zentrale<br />
Leistungskontrollen in allen Bundesländern einsetzen<br />
werde. Dies hat die SPD-Bildungsministerin aus Nordrhein-Westfalen<br />
wörtlich in der „Süddeutschen Zeitung“<br />
gesagt. Das wollte ich Ihnen zur Kenntnis geben.<br />
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Länder, die in<br />
der Pisa-Studie erfolgreich abgeschnitten haben, geben<br />
den Einzelschulen mehr Selbstständigkeit und Eigenverantwortung,<br />
führen aber auch eine zentrale externe Evaluation<br />
durch.<br />
(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Erst die<br />
Freiheit, dann die Evaluation!)<br />
Beides gehört zusammen. Ich fordere Sie auf, sich vorurteilsfrei<br />
mit den Orientierungsarbeiten zu befassen.<br />
Wir haben die Lehrkräfte zur Mitarbeit eingeladen und<br />
sie gebeten, rückzumelden, ob die Aufgabenkultur, die<br />
Inhalte und die Anforderungen in Ordnung sind. Nach<br />
dem ersten Durchlauf werden wir noch einmal über die<br />
Frage der Aufgabenstellung diskutieren. Es wäre fatal,<br />
wenn diese Arbeiten von den Lehrkräften boykottiert<br />
würden, wie das in einem mehrheitlich SPD-regierten<br />
Land geschehen ist. Dort haben die Lehrer den Schülern<br />
die Lösungen diktiert und damit den Test ad absurdum<br />
geführt. Ich bin überzeugt, dass das in Bayern nicht passieren<br />
wird. Schließlich bringen solche Tests Vorteile für<br />
Schüler, Eltern und Lehrkräfte.<br />
Ich fordere Sie auf, mit Ihrer Obstruktionspolitik und Ihrer<br />
Panikmache aufzuhören. Wir sollten jetzt den ersten<br />
Durchgang durchführen und ihn anschließend analysieren.<br />
Wir sind gern bereit, Verbesserungen vorzunehmen,<br />
wenn dies notwendig sein sollte. Die Pisa-Studie hat uns<br />
gezeigt, dass die Vorgaben, die der Staat machen muss,<br />
notwendig sind, damit sich Schüler, Eltern und Lehrer<br />
daran orientieren können. Deshalb werden wir Ihren<br />
Antrag ablehnen.<br />
(Beifall bei der CSU)<br />
Erster Vizepräsident Dr. Ritzer: Die nächste Rednerin<br />
ist Frau Kollegin Münzel.<br />
Frau Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident,<br />
Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schneider,<br />
mir liegt es fern, in den Schulen Panik zu machen. Dafür<br />
liegen mir die Grundschule und die Grundschülerinnen<br />
und Grundschüler viel zu sehr am Herzen. Ich möchte<br />
nicht durch politische Aktionen Panik verbreiten. Trotzdem<br />
sehe ich die Orientierungsarbeiten sehr kritisch.<br />
Ich möchte das auf einen Punkt bringen. Die Orientierungsarbeiten<br />
sind wie ein Wolf im Schafspelz. Man<br />
redet von Diagnose, aber man meint ein Vorauswahlverfahren<br />
für Realschule und Gymnasium. Das wird deutlich,<br />
wenn man die Geschichte der Orientierungsarbeiten<br />
verfolgt. Heute, am Endpunkt der Entwicklung, wird<br />
mit viel Pädagogik und wohlgesetzten Worten verschleiert,<br />
was die Intention des Ganzen ist.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)<br />
Deshalb möchte ich auf die Geschichte des Antrags hinweisen.<br />
Begonnen hat die Entwicklung der Orientierungsarbeiten<br />
mit einem Antrag der CSU, der lautete –<br />
ich zitiere –:<br />
Die Staatsregierung wird aufgefordert, zum Ende<br />
der dritten Jahrgangsstufe Orientierungsarbeiten in<br />
den Fächern Deutsch und Mathematik einzuführen,<br />
um den Lehrkräften eine verbreiterte Grundlage für<br />
die Schullaufbahnberatung und den Eltern für die<br />
Schullaufbahnentscheidung zu geben. Die Orientierungsarbeiten<br />
werden landesweit vorgegeben und<br />
mit einem einheitlichen Maßstab bewertet. Die<br />
Bewertung fließt nicht in die Notengebung ein.<br />
Begründet wurde der Antrag in der <strong>Sitzung</strong> von den Kollegen<br />
unter anderem folgendermaßen: Herr Kollege<br />
Thätter erklärte, da in Bayern ein gegliedertes Schulsystem<br />
bestehe, das sich bewährt habe, müsse dafür<br />
gesorgt werden, dass Schüler in diejenigen weiterführenden<br />
Schulen gingen, für die sie geeignet seien. Sie,<br />
Herr Kollege Schneider, haben ausgeführt; viele Lehrer<br />
wären froh, wenn es einheitliche Maßstäbe für die Benotung<br />
der Schüler gäbe. Inzwischen stellten einige Eltern<br />
Gastschulanträge, weil es bei bestimmten Lehrern leichter<br />
sei, die gewünschten Übertrittsnoten zu erreichen.<br />
Dieses Problem sollte mit dem Antrag gelöst werden.<br />
In der turbulenten Ausschusssitzung mit einer kurzen<br />
Unterbrechung wurde der Antrag umformuliert, wobei er<br />
einen anderen Titel bekam. Das war eine wundersame<br />
Metamorphose. Zunächst hieß der Antrag: „Einführung<br />
von Orientierungsarbeiten zum Ende der dritten Jahrgangsstufe“.<br />
Daraus wurde das „Konzept zur Objektivierung<br />
der Leistungsmessung“. Das Kultusministerium hat<br />
schließlich ein Konzept für die Orientierungsarbeiten<br />
vorgelegt. Das heißt, am Anfang war die CSU noch ehrlich.<br />
Es ging letztlich darum, zu schauen, welches Kind<br />
auf welche Schule gehen soll. Sie können noch so wohlgesetzte<br />
Worte dafür finden, das ist das Ziel, das Sie<br />
letztendlich erreichen wollen.<br />
In der Ausschusssitzung hat Herr Staatssekretär Freller<br />
Herrn Wiater von der Universität Augsburg zitiert und<br />
sehr stark auf die Diagnosefunktion der Orientierungsarbeiten<br />
abgestellt. Ich möchte zitieren, was Herr Wiater<br />
gesagt hat. Er hat erklärt:<br />
Ohne Diagnose keine Förderung. Wenn man nicht<br />
genau weiß, wo die Zone der aktuellen Leistung bei<br />
einem Kind liegt, kann man auch nicht die Zone der<br />
nächsten Entwicklung bestimmen. Kein verantwortlicher<br />
Arzt wird heilende Maßnahmen ergreifen,<br />
ohne vorher genau diagnostiziert zu haben. Orientierungsarbeiten<br />
dienen der Selbstreflektion der<br />
Lehrerinnen und Lehrer. Wenn Lehrerinnen und<br />
Lehrer anhand von Orientierungsarbeiten feststellen,<br />
wo sie mit ihrer Klasse im Landesvergleich stehen,<br />
veranlaßt sie das, Bilanz über ihren eigenen<br />
Unterricht zu ziehen, sich bewusst zu machen, wo