89. Sitzung - Bayerischer Landtag
89. Sitzung - Bayerischer Landtag
89. Sitzung - Bayerischer Landtag
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
6382 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> · 14.Wahlperiode Plenarprotokoll 14/89 v. 15.05.2002<br />
nicht allein über ein Endlager entscheiden. Diese Klage<br />
von Bayern wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht<br />
einmal zugelassen. Die Klage gegen den Atomausstieg<br />
wurde vom Land Bayern noch immer nicht eingereicht.<br />
Sie haben sich in Karlsruhe bereits eine Reihe von Niederlagen<br />
eingehandelt. Sie wären deshalb gut beraten,<br />
heute für Transparenz und Aufklärung zu sorgen. Sie<br />
wären auch sehr gut beraten, eine unabhängige, nicht<br />
mit der Atomindustrie verflochtene oder in deren Auftrag<br />
arbeitende Firma zu beauftragen, ein unabhängiges<br />
Sicherheitsgutachten zu erarbeiten und vorzulegen.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)<br />
In 14 Tagen ist es nicht möglich, ein solches Gutachten<br />
zu erarbeiten. Da helfen auch Ihre Persil-Erklärungen<br />
nichts. Ich möchte einige Zitate aus den angesprochenen<br />
Mails bringen. Ein Mitarbeiter, der die Authentizität<br />
dieser Mail bestätigt hat, hat bezüglich der Zusammenstellung<br />
der Unterlagen für das Staatsministerium Folgendes<br />
geschrieben:<br />
Vorher sollte aber unbedingt eine Abstimmung der<br />
Unterlagen zwischen BL –Betriebsleitung –, KK1,<br />
TÜV und UL erfolgen. Bei der Zusammenstellung ist<br />
auch zu überlegen, ob Armaturen bzw. Behälter<br />
überhaupt aufgeführt werden sollen, da dadurch<br />
eventuelle Angriffspunkte für einen kritischen Gutachter<br />
geschaffen werden.<br />
Dieser Mann wurde inzwischen in die E.ON-Hauptgeschäftsstelle<br />
nach Hannover versetzt. In der anderen<br />
Mail heißt es:<br />
Bei der Abstimmung der Unterlagen mit dem TÜV<br />
müssen wir mit verdeckten Karten spielen. Allzu<br />
leicht könnten Unstimmigkeiten in Bezug auf den<br />
Bruchausschluss des Speisewassersystems auffallen.<br />
Nach meinen Informationen wurde auch die Authentizität<br />
dieser Mail bestätigt. Der Mitarbeiter wurde vom Dienst<br />
suspendiert, nach meinem Wissen mit einer gehörigen<br />
Abfindung. Ich frage Sie, welcher Sumpf herrscht beim<br />
Atomkraftwerk Isar I? Sie haben in Ihrer Rolle als Verantwortlicher<br />
in der Bayerischen Atomaufsicht versagt. Dies<br />
wird auch Konsequenzen für den Bundestagswahlkampf<br />
haben.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)<br />
Präsident Böhm: Ich gebe jetzt das Ergebnis der<br />
namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der<br />
SPD-Fraktion betreffend „Nein zum Verordnungsentwurf<br />
der Staatsregierung für die Genehmigung von FOC/Einzelhandelsgroßprojekten;<br />
Möglichkeit zur Bildung kommunaler<br />
Allianzen“, Drucksache 14/9442, bekannt. Mit<br />
Ja haben 63 und mit Nein 73 Kolleginnen und Kollegen<br />
gestimmt. 12 Kolleginnen und Kollegen haben sich der<br />
Stimme enthalten. Damit ist der Dringlichkeitsantrag<br />
abgelehnt.<br />
(Abstimmungsliste siehe Anlage 6)<br />
Wir fahren mit der Aussprache fort. Ich erteile Herrn Kollegen<br />
Wörner das Wort.<br />
Wörner (SPD): Herr Präsident, meine Damen und Herren!<br />
Der Vorgang um das Kraftwerk OHU I, den mein<br />
Vorgänger, Herr Kollege Hans Kolo, nicht zu Unrecht<br />
immer als Schrottreaktor bezeichnet hat, erinnert mich<br />
an die Geschichte mit den Raben.<br />
(Hofmann (CSU): Das wäre das erste Mal, dass<br />
Herr Kolo Recht gehabt hätte!)<br />
Die Opposition hat wieder einmal in die Hände<br />
geklatscht, weil wir entdeckt haben, dass in OHU etwas<br />
nicht in Ordnung ist. Der Herr Minister hat vieles versprochen.<br />
Die Raben sind auf den Baum geflogen; heute sitzen<br />
sie an anderen Orten, aber wieder auf einem Baum.<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Raben sind ein<br />
Sinnbild dafür, was in OHU passiert ist. Ein Mensch wird<br />
abgefunden, der nächste wird versetzt und alles scheint<br />
in Ordnung zu sein. Der Herr Minister nennt dies dann<br />
„Transparenz“.<br />
Was ist in OHU tatsächlich passiert? – Man hat E-Mails<br />
entdeckt, die für den Betreiber peinlich waren. Statt<br />
daraufhin sorgfältig zu recherchieren, aufzudecken und<br />
abzustellen gab es Worthülsen. Außerdem gab es ein<br />
Gutachten, das von Anfang an in Zweifel gezogen werden<br />
musste, allein deshalb, weil die komplexe Technik<br />
einer Kernanlage nicht innerhalb von 14 Tagen überprüft<br />
werden kann. Kolleginnen und Kollegen, wer so etwas<br />
tut, handelt unseriös. Zum Glück gibt es eine Oberaufsicht<br />
für Kernkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland.<br />
Wenn es sie nicht gäbe, könnten die Betreiber<br />
immer „weiterwursteln“. Dann gäbe es keine Transparenz<br />
in den Kernkraftwerken.<br />
Wo leben wir eigentlich, wenn nach viermaligem Nachfragen<br />
einer Aufsichtsbehörde noch immer nicht getan<br />
wird, was getan werden muss? – Frau Kollegin Paulig,<br />
ich gebe Ihnen Recht. Entweder soll hier irgendetwas<br />
vertuscht werden oder – was in Bayern auch denkbar ist<br />
– die CSU glaubt, sich in ihrer Allherrlichkeit und Machtarroganz<br />
selbst über Weisungen des Bundes hinwegsetzen<br />
zu können. Ich verstehe nicht, warum in Bayern<br />
immer nach dem Bund geschrieen wird, wenn man<br />
glaubt, mit einer Sache nicht fertig zu werden, aber wenn<br />
sich der Bund in Bayern einmischt, verweigert man eine<br />
Zusammenarbeit mit fadenscheinigen Erklärungen.<br />
(Hofmann (CSU): Sie sind ein Schwätzer!)<br />
– Herr Kollege Hofmann, ich kann verstehen, dass Sie<br />
diese Vorgänge schmerzen, da Sie ein Verfechter der<br />
Kernenergie sind.<br />
(Hofmann (CSU): Das ist das größte anzunehmende<br />
Missverständnis!)<br />
– Sie müssen davon ausgehen, dass alles in Ordnung<br />
ist. Deshalb müssen Sie vor den Vorgängen, die gerade<br />
passieren, Angst haben. Herr Kollege Hofmann, Ihnen<br />
müsste es doch eigentlich auch ins Auge stechen, dass<br />
Herr Dr. Schnappauf organisatorische Verbesserungen