89. Sitzung - Bayerischer Landtag
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6372 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> · 14.Wahlperiode Plenarprotokoll 14/89 v. 15.05.2002<br />
Der Wettbewerb im Einzelhandel, welcher heute in Bayern<br />
bereits Überkapazitäten von 30% aufweist, würde<br />
sich noch stärker verschärfen und noch mehr ruinös werden.<br />
Die Innenstädte und Stadtteilzentren der großen<br />
Städte, insbesondere aber die Mittel- und Kleinstädte mit<br />
Einwohnerzahlen zwischen 10000 und 50000 würden<br />
ihre Attraktivität verlieren. Möglicherweise würden sie<br />
sogar ihrer Lebensfähigkeit beraubt, wenn diese Verordnung<br />
mit der Mehrheit im Hohen Hause so beschlossen<br />
werden sollte. Zwischen den kleineren Gemeinden<br />
würde ein ruinöser Wettbewerb entstehen. Die Projekte<br />
auf der grünen Wiese würden eine Vielzahl neuer Probleme<br />
sozialer, verkehrlicher und auch ökologischer Art<br />
schaffen. Die Grundversorgung würde nur mangelhaft<br />
gesichert, eine Anbindung der Märkte mit öffentlichen<br />
Verkehrsmitteln würde fehlen und schließlich wären ein<br />
erhöhter Landschaftsverbrauch, ein erhöhtes Verkehrsaufkommen,<br />
der Bau neuer Straßen und vieles andere<br />
mehr die Folge.<br />
Wir als Parlamentarier haben deshalb die Aufgabe, dafür<br />
zu sorgen, dass die Standorte in den integrierten Lagen<br />
gefördert werden. Mit integrierten Standorten meinen wir<br />
die echten Innenstadtlagen, nicht Standorte irgendwo<br />
am Stadtrand. Wir meinen wirklich die Innenstädte.<br />
Diese Standorte müssen wir fördern. Die Standorte auf<br />
der Grünen Wiese müssen wir soweit wie möglich verhindern.<br />
(Beifall bei der SPD)<br />
Dieser Zielsetzung schließt sich zumindest auf den ersten<br />
Blick der uns vorliegende Entwurf vom 17. April 2002<br />
zur Teilfortschreibung an. Darin wird unter anderem festgestellt,<br />
dass der Erhalt attraktiver und lebendiger Innenstädte<br />
mit einer Vielfalt kleiner und mittelständisch<br />
geführter Betriebe zur Sicherung der verbrauchernahen<br />
Versorgung notwendig ist.<br />
Wenn wir für den Entwurf der Staatsregierung stimmen,<br />
Ausnahmeregelungen für Fabrikverkauf, für Einzelhandelsgroßprojekte,<br />
teils in gigantischer Größenordnung,<br />
zuzulassen, dann hat dies wirklich einen Dammbruch<br />
zur Folge – das muss man klar sehen –, dessen Auswirkungen<br />
wir heute noch gar nicht richtig abschätzen können.<br />
Es muss sich jeder, der heute über dieses Thema<br />
abstimmt, darüber klar sein, dass die Konsequenzen<br />
ausgestorbene Innenstädte, Verödung, Vereinsamung<br />
und Verlust des innerstädtischen Charakters sein werden.<br />
Dann kann man nur noch sagen: Bordsteine hoch,<br />
gute Nacht.<br />
Das ist nicht in unserem Interesse. Ich hoffe, dass Sie im<br />
Hinblick auf die einschlägigen Eingaben und Briefe<br />
sowie die Forderungen und Appelle, die an alle Kolleginnen<br />
und Kollegen dieses Hohen Hauses gerichtet wurden,<br />
ein Einsehen haben und Ihre Position, die Sie bislang<br />
vertreten haben, revidieren. Wir sagen klar: nicht<br />
Bordsteine hoch, nicht gute Nacht, was unsere bayerischen<br />
Innenstädte betrifft – nicht mit der SPD.<br />
In Einzelhandelsgroßprojekten und insbesondere den<br />
FOCs kann das Sortiment jederzeit wechseln. Die Fachleute<br />
haben dies in den verschiedensten Anhörungen<br />
und Gesprächen sowie Diskussionen immer wieder<br />
gesagt. Deshalb darf es für FOCs keine Sondergenehmigungen<br />
geben.<br />
(Beifall bei der SPD)<br />
Sie müssen bei den Genehmigungsverfahren wie jedes<br />
andere Einzelhandelsgroßprojekt behandelt werden.<br />
Das ist unsere klare Forderung. Vor allem muss aber die<br />
vorhandene Kaufkraft – das ist uns ein besonderes<br />
Anliegen – im Nah- und Einzugsbereich für die Genehmigungsfähigkeit<br />
herangezogen werden, und zwar nicht<br />
in dem Ausmaß, wie es das Kabinett vorhat und erneut<br />
hochgepuscht hat, sondern den tatsächlich gegebenen<br />
Tatsachen, der tatsächlich vorhandenen Kaufkraft, entsprechend.<br />
Für die SPD-Fraktion gilt, dass Einzelhandelsgroßprojekte<br />
mit vorwiegend innenstadtrelevanten Sortimenten<br />
wie Textilien, Schuhe, Parfümartikel oder Spielwaren<br />
und vieles andere mehr prinzipiell wirklich nur in innerstädtischen<br />
Lagen genehmigt werden dürfen. Das führt<br />
zu einer Stärkung unserer Innenstädte. Wir lehnen deshalb<br />
die vorgesehene Ausnahme, wonach solche Einzelhandelsgroßprojekte<br />
bei Vorliegen einer Ministererlaubnis<br />
in städtebaulichen Randlagen genehmigt werden<br />
können, ab. Das muss man sich einmal vorstellen, willkürliche<br />
Entscheidungen wären das, nichts anderes. Wir<br />
lehnen es ab, dass so etwas bei Vorliegen einer Ministererlaubnis<br />
auch in städtebaulichen Randlagen genehmigt<br />
werden sollte. Das kann nicht sein. Es gibt keine klaren<br />
Kriterien dafür, auch nicht in dieser mehr als sechsseitigen<br />
Begründung. Das wären wirklich willkürliche Entscheidungen<br />
zulasten unserer bayerischen Innenstädte<br />
und auf Kosten der Liebenswürdigkeit unserer bayerischen<br />
Städte.<br />
Jede Ministererlaubnis würde einen Präzedenzfall schaffen,<br />
das lehnen wir ab. An welchen Kriterien wollen Sie<br />
das wirklich festmachen? – Das ist nirgendwo nachzulesen.<br />
Sie selbst haben sich auch nie dazu geäußert,<br />
weder von Seiten des zuständigen Ministeriums für Landesentwicklung<br />
und Umweltfragen Herr Staatsminister<br />
Schnappauf, noch von Seiten der CSU-Fraktion. Welche<br />
klaren Kriterien wären dies denn? – Das ist nirgendwo<br />
festgelegt. Wir meinen, jede Ministererlaubnis würde<br />
Präzedenzfälle schaffen, die letztendlich die Ausnahme<br />
zur Regel werden lassen würden. Ich sage hier nur wieder<br />
das Stichwort: Dammbruch.<br />
Für uns ist es wichtig, dass hinsichtlich der Genehmigung<br />
von Einzelhandelsgroßprojekten der Anschluss an<br />
einen gut funktionierenden ÖPNV gegeben ist. Vor allem<br />
ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger in einer immer älter<br />
werdenden Gesellschaft sind auf öffentliche Verkehrsmittel<br />
angewiesen. Sie haben einen Anspruch darauf.<br />
Wir wissen, wie schwierig das umzusetzen ist. Auch<br />
ohne diese neue Verordnung haben wir uns alle darum<br />
bemüht, und wir wissen alle, wie weit wir damit gekommen<br />
sind.<br />
Den Begriff „städtebaulich integrierter Standort“ lehnen<br />
wir ab, weil dies ein unbestimmter Rechtsbegriff ist.<br />
Wenn dieser Begriff doch Verwendung finden sollte,<br />
dann sollte nur bei Möbelhäusern, Baumärkten oder<br />
Gartencentern davon abgewichen werden.