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89. Sitzung - Bayerischer Landtag

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Plenarprotokoll 14/89 v. 15.05.2002 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> · 14.Wahlperiode 6337<br />

Staatsminister Dr. Weiß (Justizministerium): Herr Präsident,<br />

Hohes Haus! Die bundeseinheitlich gestaltete<br />

Geschäftsstatistik der Staatsanwaltschaften, in der die<br />

Zahl der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren<br />

und die Art ihrer Erledigung ausgewiesen werden, differenziert<br />

nicht nach einzelnen Straftatbeständen. Statistische<br />

Erkenntnisse zur Zahl der § 131 StGB betreffenden<br />

Ermittlungsverfahren liegen dem Staatsministerium der<br />

Justiz daher nicht vor.<br />

Angegeben werden kann nur die in der so genannten<br />

Strafverfolgungsstatistik erfasste Zahl der Aburteilungen<br />

und Verurteilungen. Hierzu eine kleine juristische Erläuterung,<br />

die Herr Kollege Dr. Hahnzog selbstverständlich<br />

kennt. Ich füge sie aber für die Allgemeinheit an: Abgeurteilte<br />

im Sinne dieser Statistik sind Angeklagte, gegen<br />

die Strafbefehle erlassen wurden oder bei denen das<br />

Strafverfahren nach Eröffnung der Hauptverhandlung<br />

durch Urteil oder Einstellungsbeschluss endgültig oder<br />

rechtskräftig abgeschlossen wurde. Verurteilte sind die<br />

Abgeurteilten, gegen die Strafen verhängt oder – bei<br />

Jugendlichen bzw. Heranwachsenden – die Taten mit<br />

Zuchtmitteln oder Erziehungsmaßregeln geahndet wurden.<br />

Bei der Aburteilung mehrerer Straftaten, die in Tateinheit<br />

oder Tatmehrheit begangen wurden, wird dabei nur die<br />

Straftat statistisch erfasst, die nach dem Gesetz mit der<br />

schwersten Strafe bedroht ist. Dies bedeutet, dass die<br />

nachfolgend genannten Zahlen die Fälle nicht enthalten,<br />

in denen der Täter neben § 131 StGB auch wegen einer<br />

schwereren Straftat abgeurteilt wurde.<br />

Die Strafverfolgungsstatistiken für Bayern weisen seit<br />

der erstmaligen Erfassung des Straftatbestands der<br />

Gewaltdarstellung nach § 131 StGB im Jahr 1974 insgesamt<br />

235 Aburteilungen und 119 Verurteilungen aus.<br />

Aufgeschlüsselt nach Jahren ergeben sich seit 1995 folgende<br />

Daten:<br />

1995: 7 Abgeurteilte, davon 6 Verurteilte;<br />

1996: 5 Abgeurteilte, davon 4 Verurteilte;<br />

1997: 2 Abgeurteilte, kein Verurteilter;<br />

1998: 12 Abgeurteilte, davon 10 Verurteilte;<br />

1999: 7 Abgeurteilte, davon 5 Verurteilte;<br />

2000: 8 Abgeurteilte, davon 6 Verurteilte.<br />

Ich habe die Zahlen seit 1974 vorliegen, Herr Kollege.<br />

Ich kann sie Ihnen gerne zuleiten. Ich nehme aber an,<br />

Sie interessieren sich vor allem für die letzten Jahre. Die<br />

Zahlen für 2001 liegen noch nicht vor.<br />

In den Jahren 1995 bis einschließlich 2000 wurden hiernach<br />

in Bayern – ohne die Fälle, in denen zugleich eine<br />

Aburteilung wegen einer schwereren Straftat erfolgte –<br />

31 Straftäter wegen eines Vergehens nach § 131 StGB<br />

verurteilt. Zum Vergleich: Im gesamten Gebiet der früheren<br />

Bundesrepublik Deutschland – in den Beitrittsländern<br />

wird diese Statistik noch nicht flächendeckend<br />

geführt – waren es im selben Zeitraum 77 Verurteilungen.<br />

Bei uns waren es also 31, insgesamt hingegen 77<br />

Verurteilungen. Das bedeutet, mehr als 40% aller einschlägigen<br />

Verurteilungen entfielen damit auf Bayern. Im<br />

Jahr 2000 waren es sogar 75%, nämlich 6 von bundesweit<br />

8 Verurteilungen. Das zeigt, wie ernst gerade Bayern<br />

die Bekämpfung strafbarer Gewaltdarstellung nimmt.<br />

Erster Vizepräsident Dr. Ritzer: Zusatzfrage: Kollege<br />

Dr. Hahnzog.<br />

Dr. Hahnzog (SPD): Herr Staatsminister, es war von<br />

Anfang an bekannt, dass diese Vorschrift Schwierigkeiten<br />

in der Praxis macht. Es gab auch verfassungsrechtliche<br />

Bedenken. Im Jahr 1992 gab es eine Entscheidung<br />

des Bundesverfassungsgerichts, die ein Urteil des Landgerichts<br />

München I als verfassungswidrig aufhob. Hat<br />

die Staatsregierung, nachdem sich diese Schwierigkeiten<br />

zeigten, eine Initiative erwogen oder in die Tat umgesetzt,<br />

um § 131 StGB zu ändern? Nach meinem Wissen<br />

unternimmt die Staatsregierung immer wieder Initiativen<br />

zur Verschärfung von Strafgesetzen und neuen Vorschriften<br />

in der Strafprozessordnung.<br />

Erster Vizepräsident Dr. Ritzer: Herr Staatsminister.<br />

Staatsminister Dr. Weiß (Justizministerium): Herr Kollege<br />

Hahnzog, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen,<br />

dass man bei § 131 des Strafgesetzbuches immer auch<br />

die Vorgaben der Verfassung berücksichtigen muss. Ich<br />

erinnere nur an die Freiheit der Kunst, die die Anwendung<br />

dieser Bestimmung auch einschränkt. Insofern gibt<br />

es Bereiche, bei denen wir auch mit einer Gesetzesänderung<br />

nichts erreichen könnten. Die Entscheidung des<br />

Bundesverfassungsgerichts von 1992, welche Sie angesprochen<br />

haben, bezog sich darauf, dass den Menschen<br />

ähnliche Wesen vom Tatbestand des § 131 nicht erfasst<br />

sind. Hier müssen wir sehr genau differenzieren, damit<br />

wir das Kind nicht mit dem Bade ausschütten.<br />

Wenn ich vom Begriff des Menschen abgehe und auch<br />

alle bildlichen Darstellungen einbeziehe, würde wahrscheinlich<br />

jedes Mickymausheft von § 131 des Strafgesetzbuches<br />

erfasst werden. Es ist sicher auch äußerst<br />

problematisch, dass in diesen Heften Katzen, Hunde<br />

usw. gezerrt, gepresst oder durch die Luft geschleudert<br />

werden.<br />

Selbstverständlich hat man sich überlegt, wie man diese<br />

Vorschrift erweitern kann, damit sie noch wirksamer<br />

wird, und gerade bei Gewaltakten wie zum Beispiel in<br />

Erfurt denkt man über solche Möglichkeiten immer wieder<br />

nach. Soweit es aber um derartige Darstellungen,<br />

wie eben erwähnt, geht, stoßen wir an verfassungsrechtliche<br />

Grenzen. Anders verhält es sich sicher mit Videound<br />

Computerspielen, aber diese sind nicht von § 131<br />

des Strafgesetzbuches erfasst.<br />

Erster Vizepräsident Dr. Ritzer: Kollege Dr. Hahnzog.<br />

Dr. Hahnzog (SPD): Ist diese Frage einmal auf einer<br />

Justizministerkonferenz oder in einer Arbeitsgruppe der<br />

Justizministerkonferenz behandelt worden?

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