89. Sitzung - Bayerischer Landtag
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6370 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> · 14.Wahlperiode Plenarprotokoll 14/89 v. 15.05.2002<br />
Es gibt also zig Gründe für den Ausstieg, der so schnell<br />
wie möglich erfolgen muss. Deshalb hat die Bundesregierung<br />
den richtigen Weg im Sinne künftiger Generationen<br />
und im Sinne der Sicherheit der Bevölkerung eingeschlagen.<br />
Die Bundesregierung und Bundeskanzler<br />
Schröder haben Gott sei Dank den Konsens mit den<br />
Energieversorgungsunternehmen gefunden und damit<br />
eine nachhaltige Energiewirtschaft und mehr Sicherheit<br />
für die Bevölkerung auf den Weg gebracht, und das ist<br />
gut so.<br />
(Hofmann (CSU): Das war ein Zitat!)<br />
Dass gerade die Bayerische Staatsregierung einen<br />
Beschluss bezüglich eines Überflugverbots faßt, ist<br />
erstaunlich, weil sie die deutsche und speziell die bayerische<br />
Kernenergie und deren Sicherheitsstandards<br />
ständig lobpreist. Dieses Verhalten zeugt meines Erachtens<br />
von einer starken Inkonsequenz der Staatsregierung.<br />
Man kann nicht auf der einen Seite eine Risikotechnologie<br />
über den grünen Klee loben und auf der<br />
anderen Seite Sicherheitsstandards einfordern, die de<br />
facto nicht zu realisieren sind und die auch nicht mehr<br />
Sicherheit bringen. Wie gesagt: Der Ausstieg ist der<br />
sicherste Weg.<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die CSU-Fraktion<br />
den Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN mit der<br />
Begründung – das Zitat vom Abgeordneten Hofmann<br />
kann ich mir sparen; ich wollte es eigentlich bringen –<br />
ablehnt, es könnte der Eindruck entstehen, dass nur die<br />
GRÜNEN solche Überflugverbote für sinnvoll halten,<br />
finde ich aber ungeheuerlich. Wenn man die Diskussion<br />
in den Ausschüssen betrachtet, kann man zusammenfassend<br />
sagen: Auf der einen Seite lobt die CSU die<br />
Kernenergie und hält unerschütterlich an ihr fest; auf der<br />
anderen Seite fordert sie ein Überflugverbot; den Antrag<br />
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN lehnt sie wegen<br />
entgangener Lorbeeren ab – ich beziehe mich dabei auf<br />
Herrn Kollegen Hofmann. Wir meinen, dieses Verhalten<br />
hat mit einer verantwortungsvollen Politik nichts mehr zu<br />
tun, sondern nur mit einem Herumtaktieren. Es ist seltsam,<br />
dass Sie einem Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE<br />
GRÜNEN nicht zustimmen können, nur weil ein falscher<br />
Eindruck entstehen könnte. Offensichtlich geht es Ihnen<br />
doch nicht um die Sicherheit unserer Bürger, sondern<br />
um eine klare Abgrenzung von Rot-Grün, die im Wahlkampf<br />
erfolgen muss, koste es was es wolle.<br />
Zum Schluss möchte ich sagen, wir vonseiten der SPD-<br />
Fraktion finden das Schreiben von Verkehrsminister Dr.<br />
Wiesheu an Bundesverkehrsminister Bodewig vom<br />
Januar dieses Jahres bemerkenswert. Staatsminister Dr.<br />
Wiesheu wirkt in diesem Schreiben tatsächlich auf ein<br />
Überflugverbot im Umkreis von Kernkraftwerken hin. Er<br />
schreibt wortwörtlich: „Das Sicherheitsgefühl in der<br />
Bevölkerung muss erhöht werden.“ – Das „Sicherheitsgefühl“!<br />
Ein Verkehrsflugzeug auf seinem von der Flugsicherung<br />
freigegebenen Kurs ist unter ständiger Radarkontrolle.<br />
Staatsminister Dr. Wiesheu regt in seinem<br />
Schreiben weiter an; sollte das Flugzeug ohne Grund<br />
von der Flughöhe oder dem Kurs abweichen, dann sei<br />
von der Flugsicherung Alarm auszulösen und dieser an<br />
die Luftverteidigung aber auch an die Zentrale des gegebenenfalls<br />
gefährdeten Atomkraftwerks weiterzuleiten.<br />
Das ist die Forderung von Wirtschaftsminister Dr. Wiesheu.<br />
Das muss man sich einmal überlegen. Schön und<br />
gut, kann ich nur sagen. Was macht man denn in einem<br />
solchen Fall, was macht man, wenn der Alarm ausgelöst<br />
worden ist?<br />
(Unruhe – Glocke der Präsidentin)<br />
Was passiert in einer solchen Situation? Man schaltet<br />
den Reaktor wohl ab und fährt ihn auf einen unkritischen<br />
Druckbereich herunter. Das wäre, so nehme ich an, die<br />
logische Konsequenz aus einer derartigen Forderung. In<br />
der Kürze der Zeit wäre das aber sehr schwer bzw. gar<br />
nicht zu bewerkstelligen. Außerdem muss man sich einmal<br />
die Zahlen ansehen.<br />
(Unruhe)<br />
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Liebe Kolleginnen<br />
und Kollegen, ich bitte, der Rednerin mehr Aufmerksamkeit<br />
zu widmen und die Gespräche einzustellen.<br />
(Beifall bei der SPD)<br />
Frau Biedefeld (SPD): Über 80 verdächtige Fälle wurden<br />
allein im vierten Quartal 2001 an die Luftverteidigungsdienststellen<br />
gemeldet. Über 80 verdächtige Fälle!<br />
Stellen Sie sich einmal vor, was geschähe, wenn man<br />
bei jedem dieser Verdachtsfälle die genannten Maßnahmen<br />
– Abschalten und Herunterfahren des Reaktors in<br />
einen sicheren Druckbereich – einleiten würde. Wenn<br />
wir das wahrmachen würden, was für Folgen würden<br />
sich daraus ergeben? Wie würde das mit Ihrer bisherigen<br />
Intention in Einklang stehen? Der wirtschaftliche<br />
Betrieb der betroffenen Kernkraftwerke würde doch in<br />
jedem Fall in Frage gestellt. Das kann ich mir nicht vorstellen.<br />
Die Frage ist deshalb, Herr Dr. Wiesheu, wollen<br />
Sie den Betreibern der bayerischen Kernkraftwerke, wollen<br />
Sie der Kernkraft in Deutschland an den Kragen?<br />
Wollen Sie das? Ich kann hieraus jedenfalls nichts anderes<br />
schließen. Es wäre deshalb sehr interessant, eine<br />
Antwort von Ihnen zu bekommen. Sie können sich uns<br />
gegenüber ruhig outen, wir haben damit kein Problem,<br />
im Gegenteil, wir würden es begrüßen.<br />
Wie gesagt, die Einleitung von Abwehrmaßnahmen in<br />
einem ausreichend dimensionierten Sperrgebiet würde<br />
den zivilen Flugverkehr in den betroffenen Regionen<br />
zum Erliegen bringen. Das würde in der Umgebung von<br />
Großflughäfen zu einer zwangsläufigen Einstellung des<br />
Flugbetriebs führen. Vor diesem Hintergrund frage ich<br />
Sie auch, Herr Dr. Wiesheu, haben Sie Ihre Forderung<br />
und die Forderung Ihres Kabinetts mit den Betroffenen<br />
besprochen? Haben Sie diese Frage mit den Betreibern<br />
der bayerischen Kernkraftwerke erörtert und mit den<br />
Fluggesellschaften und den Flughafenbetreibern<br />
besprochen? Das ist doch sehr interessant. Ich nehme<br />
an, die würden eine ganz andere Meinung dazu haben.<br />
Die Vorstellung, die Sie hier an den Tag gelegt haben, ist<br />
aus unserer Sicht deshalb sehr interessant.<br />
Wir haben es hier mit einem vielschichtigen Problem zu<br />
tun, das wurde vorhin auch beim Redebeitrag des Kollegen<br />
Pienßel deutlich. Prüfen wir gemeinsam – die Bun-