15.01.2014 Aufrufe

handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

die Kunst von Heuchelei und Verstellung beherrscht.<br />

Ganz allgemein kann man aus der Sicht der Politischen<br />

Anthropologie von zwei entgegengesetzten<br />

Grundproblemen aus gehen: Zu klären ist, ob der<br />

Mensch grundsätzlich über ein Bedürfnis nach Bildung<br />

einer harmonischen Gemeinschaft verfügt, oder ob<br />

er vielmehr zu Konflikten neigt und der Gemeinschaft<br />

bedarf, um kriegerische bzw. destruktive Konfliktstrukturen<br />

<strong>zum</strong> Wohle aller zu vermeiden.<br />

2. Klassische Modelle der Staatsbegründung<br />

a. Staat und „eudaimonia“<br />

Anfänge staats- und rechtsphilosophischer Theorien<br />

finden wir im europäischen Kulturkreis bereits im<br />

antiken Griechenland. Staatsphilosophische Ansätze<br />

der Antike stellen grundsätz lich die Frage nach dem<br />

Ursprung der Stadtbildung, dem guten und gerechten<br />

Leben in Gemeinschaften, wie dieses aufgebaut<br />

und erhalten werden kann. Der innere Zusammenhang<br />

von Politik, Ethik, Bildung, Gesetz und Religion<br />

steht im Vordergrund der Reflexion <strong>zum</strong> gerechten<br />

Staat, der für eine gelungene Lebensführung oder<br />

der „eudaimonia“ un abdingbar ist. Insbesondere in<br />

den Werken Politeia, Politikos und Nomoi legt Platon<br />

ein differenziertes Konzept von Staatenbildung vor.<br />

Menschliches und Göttliches stehen bei den Griechen<br />

hinsichtlich des politischen Denkens stets in Beziehung<br />

oder auch in Spannung zueinander. Die Errichtung<br />

des besten Stadtstaates gründet nach Platon<br />

auf der Weisheit der Philosophen, die durch diese<br />

Weisheit den Aufstieg zur Idee des Guten auf sich<br />

nehmen (Platon: Politeia 428-429, vgl. auch Höhlengleichnis<br />

in Politeia 514-519). Die Orientierung an den<br />

Göttern im platonischen Sinne ist philosophisch, sie<br />

bedarf der Argumentation. Die Existenz der Götter<br />

wird über kosmische Bewegung und Selbstbewegung<br />

dargelegt, Be wegung verstanden als ältestes Prinzip<br />

der Seele. In seinem Werk Politeia schlägt Platon eine<br />

expertokratisch orientierte Politik vor, in der Philosophen<br />

als Regierende, als der Weis heit Zugeneigte,<br />

den Staat leiten. Sie sollen nicht nur in der Theorie,<br />

sondern auch in der Praxis (u. a. Gymnastik, Musik,<br />

Dialektik) ausgebildet werden. In seinem Werk Nomoi<br />

zeigt uns Platon eine Gesetzesstadt, in der Gesetze<br />

<strong>zum</strong> Erhalt und Bestand des inneren Frie dens beitragen<br />

sollen. Dennoch bleibt nach Platon die Herrschaft<br />

der Gesetze ein Not behelf; die Herrschaft von<br />

vernünftigen Personen ist vorzuziehen, da Gesetze<br />

unflexibel sind, gleich eines „starrköpfigen und ungebildeten<br />

Mannes“ (Platon: Nomoi 294). Die Ge setze<br />

Platons, die Androhung von Strafen und Sanktionen<br />

vorsehen, beinhalten <strong>zum</strong> Teil sehr scharfe Gesetze<br />

(Asebiegesetze) gegen Atheisten, Magier und Gotteslästerer,<br />

was den modernen Leser in ein gänzlich<br />

antikes Denken versetzt, wie z. B. die Vorstellung des<br />

„Sophronisterion“ (Besinnungshaus für noch Uneinsichtige,<br />

Nomoi 909) oder dass die Leich name der<br />

durch Todesstrafe getöteten uneinsichtigen Feinde<br />

der Götter ohne Beerdigung einfach über die Landesgrenzen<br />

geworfen werden sollen. So werden wir auch<br />

in der Politeia (389 u. 459) mit der „edlen Lüge“<br />

konfrontiert, die den Herrschenden Lügen gegenüber<br />

den (ungebildeten) Beherrschten einräumt<br />

<strong>zum</strong> Zwecke des Wohlergehens aller.<br />

Aristoteles begreift den Menschen als „zoon politikon“,<br />

das heißt als ein Wesen, das – um die in ihm angelegte<br />

Entelechie zur Entfaltung und Verwirklichung<br />

bringen zu können – der Gemeinschaft bedarf. Der<br />

Mensch ist „von Natur aus politisch“; einerseits hat<br />

er ein Bedürf nis nach Selbsterhaltung, andererseits<br />

strebt er nach dem „guten Leben“. Wie Platon geht<br />

auch Aristoteles davon aus, dass eine gelungene<br />

Lebensführung, ein tugendhaftes Leben, das zur<br />

„eudaimonia“ führt, nur in einer politischen Gemeinschaft<br />

möglich ist (Aristoteles: Politik 1324).<br />

Das ethisch-anthropologisch fundierte Staats- und<br />

Rechtsdenken der Griechen bildet die Grundlage für<br />

die weitere Entwicklung im Römischen Reich, im<br />

Mittelalter und in der Neuzeit. Römische staatsrechtliche<br />

Konzepte entwickelten ein differenziertes Bürgerrecht,<br />

eine durch die Bedeutung des römischen Reiches<br />

als Weltmacht notwendige Außenpolitik, stets<br />

ver bunden mit einer deutlichen Orientierung an den<br />

Göttern (Zeichendeutungen, Befragen von Götterwillen)<br />

und mit der Bewahrung der Traditionen. Priester<br />

waren stets in politische Ent scheidungsfindungen<br />

eingebunden. Auch die Entwicklung des Humanismus<br />

in der römi schen Kultur („humanitas“) geht auf das<br />

griechische Erbe zurück, insbesondere auf die Vorstellungen<br />

von „philanthropia“ (Menschenfreundlichkeit)<br />

und „paideia“ (Menschenbildung).<br />

102<br />

Politische Philosophie – Rechts<strong>philosophie</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!