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handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

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. Polis contra Kosmopolis –<br />

Die antike „Weltvernunft“<br />

Der Grundgedanke der stoischen Philosophie, die<br />

auch in ihrer Spätphase noch von dem römischen<br />

Kaiser Marc Aurel vertreten wird, liegt in der Vorstellung<br />

einer ordnenden Ur sache allen Seins, dem<br />

Logos als Weltvernunft (Marc Aurel: Medita tionen<br />

1, 20; 9,16). Somit geschieht nichts zufällig, sondern<br />

unterliegt den kosmischen Ge setzen. Der Mensch,<br />

der als Vernunftwesen Einsicht in die Weltvernunft<br />

nehmen kann, ist somit in der Lage, sein Leben, auch<br />

das in politischen Gemeinschaften, zur Glückseligkeit<br />

zu bringen, indem er vernünftig, d. h. in Übereinstimmung<br />

mit der Natur handelt (Marc Aurel:<br />

Meditationen 3,12). Erkenntnis der Weltvernunft ist<br />

durch empirische Erfahrungen, durch sinnliche Wahrnehmung<br />

möglich, dennoch kann die Vernunft durch<br />

Affekte beirrt werden, etwa durch (Un)Lust, Begierde<br />

und Furcht, was zu Fehlverhalten, ja zu Rechtsbrüchen<br />

füh ren kann und selbst beim Rechtsbrecher körperliche<br />

und seelische Schäden verursacht. Weltvernunft<br />

und Weltgesetz gelten unabhängig von einzelnen<br />

Rechtsgrundsätzen einzelner Staaten, sie gelten für<br />

alle Völker und alle Staaten für alle Zeiten, überdauern<br />

alle Epochen und sollen die Grundlage für alle<br />

staatlichen Rechtsnormen bilden. Dem Menschen,<br />

der als Teil des kosmischen Ganzen angesehen wird,<br />

kommt Gleichheit zu, was sich u. a. in der Ablehnung<br />

der Sklavenhaltung äußert (Marc Aurel: Meditationen<br />

7,7; 7,9). Aus stoischer Sicht ist es notwendig, einen<br />

Weltstaat zu errichten, um den Logos, die Weltvernunft,<br />

durch einheitliche Gesetze zur vollen Geltung<br />

kommen zu lassen.<br />

c. Der Einbruch des Christentums in<br />

die antike Welt<br />

Im Jahr 391 n. Chr. wird das Christentum zur Staatsreligion<br />

erhoben. Das kulturelle Erbe, ob von Griechen,<br />

Römern oder Germanen, erfährt in den folgenden<br />

Jahrhunderten eine zu nehmend christliche Überformung.<br />

Die klassischen Kardinaltugenden erfahren<br />

eine Ver änderung durch die christlichen Tugenden<br />

„Glaube, Liebe, Hoffnung“ (Thomas von Aquin). Der<br />

Kosmos, das Kreisen der Gestirne, die Vorstellung von<br />

Wiederkehr wird abgelöst von der Vorstellung einer<br />

zeitlich begrenzten Geschichte auf Erden und der<br />

Auferstehungs hoffnung. Das Denken ist christlichtheologisch<br />

durchdrungen: Der Ursprung des Menschen<br />

als Geschöpf Gottes liegt im Paradies. Von dort<br />

wurde er aufgrund der Erbsünde von Gott vertrieben<br />

und muss nun im irdischen Dasein, einer Zeit der<br />

Prüfung, sich zu Gott hin wendend die Entwicklung<br />

<strong>zum</strong> Guten vorantreiben.<br />

So hat Aurelius Augustinus in seinen Confessiones<br />

im XI. Buch die Flüchtigkeit der Zeit und damit deren<br />

Nichtigkeit dargelegt und somit die Vergänglichkeit<br />

im irdischen Leben be tont. Sein Werk Vom Gottesstaat<br />

zeigt zwei Reiche auf, die sich im Geschichtsverlauf<br />

in ste tiger Auseinandersetzung befinden: „civitas<br />

terrena“ und „civitas Dei“. Diese beiden Reiche zeigen<br />

weniger die Beziehung der Menschen untereinander<br />

auf als vielmehr diejenige der Menschen zu Gott<br />

(Aurelius Augustinus: Vom Gottesstaat V, 17). Dabei<br />

umfasst die „civitas Dei“ diejenigen, die wie Adams<br />

Sohn Abel ihre Herzen Gott zuwenden, und die „civitas<br />

terrena“ diejenigen, welche wie Adams Sohn Kain<br />

selbstsüchtig die eigenen Interessen verfolgen (ebd.<br />

XIV, 13). Augustinus’ Blick ist auf das Jenseits gerichtet;<br />

die Lösung politischer Fragen steht weniger im<br />

Zentrum seiner Reflexion, vielmehr kommt es darauf<br />

an, dass der Einzelne sein Leben nach Gottes Willen<br />

ausrichtet, ganz gleich, unter welcher staatlicher<br />

Herrschaft er lebt. Augustinus ist ein engagierter<br />

Verfechter des Christentums; boshaft blickt er auf die<br />

Juden, die er kur<strong>zum</strong> zu „Feinden“ der Kirche er klärt.<br />

Augustinus fordert vom weltlichen Staat Friede und<br />

Unversehrtheit des rechten Glau bens, was notfalls<br />

auch durch einen gerechten Krieg sichergestellt<br />

werden muss (ebd. XIX, 15).<br />

3. Vertragstheorien:<br />

Vertragstheorien sind im Wesentlichen durch folgende<br />

Grundmerkmale gekennzeichnet: Sie verweisen auf<br />

eine soziale Ausgangssituation, einen „Ur-“ oder<br />

„Naturzustand“ ohne Institu tionen und Regeln. Dieser<br />

Verweis kann entweder als historische Annahme eines<br />

tatsäch lichen Zustands oder aber auch als ein Gedankenexperiment<br />

gemeint sein. Aufgrund der schlechten<br />

sozialen Bedingungen, die diesem Naturzustand innewohnen,<br />

schließen in dieser Annahme die Beteiligten<br />

Politische Philosophie – Rechts<strong>philosophie</strong> 103

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