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handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

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Methode der Induktion auf der Basis einer empiristischen<br />

Erkenntnistheo rie explizit begrün det zu<br />

haben (Francis Bacon: Novum organon scientiarum).<br />

Voraus setzung wissenschaftlichen Erkennens ist nach<br />

Bacons Idola-Lehre zunächst die Besei tigung von<br />

falschen Vorstellungen, Irrtümern und Vorurteilen.<br />

Grundsätzlich ist es nach Bacon möglich, ausgehend<br />

von der Sin neswahr nehmung eine Erkenntnis<br />

der Natur gesetze zu erlangen. Im Mittelpunkt des<br />

induktiven Verfahrens steht das Experiment, das<br />

methodisch über die bloße Naturbeobachtung hinausgeht,<br />

weil im Kontext des Ex periments variable<br />

Größen gezielt verändert werden können. Der Abstraktionsprozess<br />

vollzieht sich in Zwischenschritten<br />

(Tafelmethode), in denen bestimmte Ein flussgrößen<br />

ausgeschlossen werden sollen. Voraussetzung für<br />

Bacons methodische Überle gungen ist neben dem<br />

Empirismus eine realistische Grundüberzeugung, die<br />

es erlaubt, das All gemeine der Erfahrung durch Abstraktion<br />

erzielen zu können. In Kontrast dazu steht<br />

der skepti zistisch geprägte Empirismus David Humes,<br />

der die Möglichkeit, allgemeingültige Gesetze durch<br />

Erfahrung zu finden, infrage stellt. Die Konsequenz<br />

dieses Skeptizis mus besteht darin, dass allgemeingültige<br />

Aussagen überhaupt nicht mehr möglich sind,<br />

sondern nur noch Aussagen, die Korrelationszusammenhänge<br />

aufweisen. Im 20. Jahr hundert verbindet<br />

man mit induktiver Wis senschaftstheorie u. a. den<br />

logischen Empiris mus des Wiener Kreises (Moritz<br />

Schlick, Otto Neurath, Rudolf Carnap), die in den<br />

Anfängen ihrer Überlegungen von der Infallibilität<br />

wissenschaftlicher Erkenntnis ausgehen. Sinnvolle<br />

Sätze sind entweder analytische Sätze der Logik und<br />

der Mathe matik oder Beobachtungssätze (Protokollsätze),<br />

sinnlose Sätze hingegen Sätze der Metaphysik.<br />

Im Gegensatz zur induktiven Methode steht die sich<br />

im Verlauf des 19. Jahrhunderts herausbildende hypothetisch-deduktive<br />

Methode, bei der prinzipiell frei<br />

wählbare Hypothesen in einem deduktiven Überprüfungsverfahren<br />

auf ihre Konsequen zen hin beleuchtet<br />

werden, wie Karl Popper, der als wichtigster Vertreter<br />

dieser Me thode gilt, ausführt: „Aus der vorläufig unbegründeten<br />

Antizipation, dem Einfall, der Hypothese,<br />

dem theoretischen System, werden auf logisch-deduktivem<br />

Weg Folgerun gen abgeleitet; diese werden untereinander<br />

und mit anderen Sätzen verglichen, indem<br />

man feststellt, welche logischen Beziehungen (z. B.<br />

Äqui valenz, Ableitbarkeit, Vereinbar keit, Widerspruch)<br />

zwischen ihnen bestehen“ (Karl Popper: Die wissenschaftliche<br />

Me thode). Der kritische Rationalismus<br />

Poppers postuliert neben dem Falsifi kationsprinzip<br />

die Fallibilität von wissenschaftlichen Erkenntnissen.<br />

Obwohl Popper auf der Ba sis eines erkenntnistheoretischen<br />

Realismus von der Erkennbarkeit der Welt<br />

ausgeht, ist dieser (wissenschaftliche) Erkenntnisprozess<br />

unabschließbar, hypo thetisch, ohne apo diktische<br />

Ge wissheit, was sich unter anderem darin ausdrückt,<br />

dass eine Verifizierung von Aussagen auf der Basis von<br />

Beobachtungen nach Popper (Logik der For schung)<br />

nicht möglich ist; es wird somit in der wissenschaftstheoretischen<br />

Konzeption Poppers ausgeschlossen,<br />

auf der Ba sis der Induktion zu allgemeingültigen<br />

Erkenntnis sen gelangen zu können. Popper hält den<br />

In duktionismus auch dann nicht für möglich, wenn<br />

die intendierte strenge Allgemeinheit von induktiv<br />

gewonnenen Erkenntnis sätzen zugunsten ihrer bloß<br />

wahrscheinlichen Gültigkeit auf gegeben wird, wie<br />

Rudolf Carnap dies postuliert. Hypothesen besitzen<br />

nach Popper so lange Gültigkeit, solange sie nicht<br />

falsifiziert sind, wobei selbst Falsifizierungen nur eine<br />

relative Gül tigkeit be sitzen.<br />

Nach Thomas S. Kuhns historisch-deskriptiv orientierter<br />

Wissenschaftstheorie vollzieht sich die Geschichte<br />

der Wissenschaften als eine Folge von Paradigmen,<br />

die durch Sprünge oder Revolutionen zustande kommen.<br />

Unter einem Paradigma versteht Kuhn so etwas<br />

wie ein Schema oder einen Prototyp für Problemlö<br />

sungen, der sich einer exakten Ausformulierung<br />

entzieht. Deshalb kann der Begriff des Paradigmas<br />

nicht mit dem Begriff der Theorie identifi ziert werden.<br />

„Paradigmata erlangen ihren Status, weil sie bei der<br />

Lösung einiger Probleme, welche ein Kreis von Fachleuten<br />

als brennend er kannt hat, erfolgreicher sind<br />

als die mit ihnen konkurrierenden“ (Thomas S. Kuhn:<br />

Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen). Auf der<br />

Ba sis eines allgemein anerkannten Paradigmas betreiben<br />

die Wissenschaftler ihre „Normalwissen schaft“,<br />

die in Anwendun gen („Aufräumarbeiten“) des durch<br />

das Paradigma hergestellten neuen Verständnisses<br />

von Phänomenen liegt. Dieses Paradigma bleibt<br />

gültig, bis innerhalb einer Kri sensitua tion ein neues<br />

entsteht.<br />

Paul Feyerabend verfolgt ähnlich wie Kuhn eine<br />

historische Perspektive. In seinen (antiinduktionistischen)<br />

wissenschaftstheoretischen Über legungen<br />

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Wissenschafts<strong>philosophie</strong> – Natur<strong>philosophie</strong>

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