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handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

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In einem groß angelegten Ge dankenexperiment, in<br />

dem an genommen wird, dass „ein ebenso böser wie<br />

mächtiger und listiger Geist all sein Bestreben darauf<br />

richtet, mich zu täuschen“, wird die Gewissheit des<br />

Selbst bewusstseins zur Evidenz gebracht. Die Umkehr<br />

von Zweifel zu Gewissheit erfolgt in der Zwei ten<br />

Meditation, in der die Folgen der angenommenen<br />

Prämisse, der Täuschung durch den bö sen Geist, zu<br />

Ende ge dacht werden: Die gesamte Wahrnehmung ist<br />

„falsch“; das Ich als körper liches Wesen exis tiert überhaupt<br />

nicht. In dieser Ungewissheit, in die sich das Ich<br />

in dem Ge dankenexperi ment gestürzt sieht, leuchtet<br />

zunächst die Gewissheit der Ungewissheit im Zweifeln<br />

ein. Diese Denkbewegung ist sich unmittelbar<br />

evident; es ist für Descartes auch evident, dass das<br />

Ich der Akteur dieses Denkaktes ist, das somit zur Gewissheit<br />

seiner selbst in der Aktu alität des Zweifelns<br />

bzw. Denkens kommt: „Ego cogito, ego existo.“ Das<br />

neuzeitliche Ver ständnis von Subjektivität steht in<br />

der cartesianischen Denktradition. Der Paradigmenwechsel<br />

vom ontologischen Paradigma <strong>zum</strong> mentalistischen<br />

zeigt sich in der Begriffs geschichte des Subjektbegriffs<br />

an. Das lateinische Wort „subiectum“<br />

stellt eine Über setzung des griechischen Begriffs<br />

„hypokeimenon“ dar, der im Kontext der Substanzmeta<br />

physik des Aristoteles so viel bedeutet wie das<br />

„Zugrundeliegende“ und den (individuel len) Träger<br />

aller Dingheit kennzeich net. Als das Zugrundeliegende<br />

aller Wirklichkeitserfah rung gilt in der Philosophie<br />

der Subjekti vität das erkennende, unhintergehbare<br />

Subjekt, das in § 2 von Schopenhauers Die Welt als<br />

Wille und Vorstellung als dasjenige bezeichnet wird,<br />

„was Alles erkennt und von Keinem erkannt wird“. Es sei<br />

sonach „der Träger der Welt, die durchgängige, stets<br />

vorausgesetzte Bedingung alles Erscheinenden, alles<br />

Objekts“.<br />

Auch in Hegels Phänomenologie des Geistes kommt<br />

dem Zweifel eine methodische Bedeutung zu. Der<br />

Text vermittelt zwischen dem Meinen des natürlichen<br />

Bewusstseins und dem Stand punkt der spekulativen<br />

Philosophie, nimmt also die platoni sche<br />

Unterscheidung zwischen „doxa“ und „episteme“<br />

auf. Die Grundidee der Phänomenologie des Geistes<br />

besteht darin, dass für das natürliche Bewusstsein der<br />

Weg <strong>zum</strong> wahren Wissen durch die Reihe seiner Gestaltungen<br />

ein negativer Weg ist, weil das natürliche<br />

Bewusstsein die Widersprüchlichkeit seines Meinens<br />

erkennt. Das natürliche Bewusstsein „verliert auf<br />

diesem Wege seine Wahrheit. Er kann deswegen als der<br />

Weg des Zweifels angesehen werden, oder eigentli cher<br />

als der Weg der Verzweiflung; auf ihm geschieht nämlich<br />

nicht das, was unter Zweifeln verstanden zu werden<br />

pflegt, ein Rütteln an dieser oder jener vermeinten<br />

Wahrheit, auf wel ches ein gehöriges Wiederverschwinden<br />

des Zweifels und eine Rückkehr zu jener Wahrheit<br />

erfolgt, so dass am Ende die Sache genommen wird wie<br />

vorher. Sondern er ist die be wusste Einsicht in die Unwahrheit<br />

des erscheinenden Wissens, dem dasjenige das<br />

Reellste ist, was in Wahrheit der nichtrealisierte Begriff<br />

ist“ (Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Phä nomenologie<br />

des Geistes, Einleitung).<br />

Mit der Philosophie Ludwig Wittgensteins verbindet<br />

man allgemein die sprachliche Wende der Philosophie.<br />

Die Sprache wird in diesem Paradigma <strong>zum</strong> zentralen<br />

Thema der Philoso phie. Ausgehend von der Analyse<br />

der Sprache, ihrer möglichen Verwendung und ihrer<br />

Be deutung in Theorie und Praxis werden innerhalb<br />

dieses Paradigmas traditionelle Vorstellun gen von<br />

Philo sophie <strong>zum</strong> Teil in Frage gestellt und Philosophie<br />

auf der Basis sprachphilo sophischer Über legungen<br />

neu bestimmt. Sprachphilosophische Überlegungen<br />

gibt es aller dings schon lange vor der linguistischen<br />

Wende in der Philosophie, etwa bei Johann Gottfried<br />

Herder, in der Philo sophie Hegels oder in der Metaethik<br />

George Edward Moores.<br />

Wittgensteins Werk ist vor allem beeinflusst durch<br />

Gottlob Frege (Begründung einer formalen Sprache)<br />

und Bertrand Russell (Theorie des logischen Atomismus).<br />

Im Tracta tus logico-philo sophicus wird die Sprache<br />

unter einem primär semantisch-logischen Aspekt<br />

betrachtet, der das Verhältnis der Sprache zur Wirklichkeit<br />

beleuchtet. Sprache repräsentiert die Welt,<br />

bildet sie ab. Was meine Welt ist, ist auch sagbar, deshalb<br />

bedeuten die „Grenzen meiner Sprache“ auch die<br />

„Grenzen meiner Welt“ (Wittgenstein: Tractatus logicophilosophicus,<br />

Satz 5.6). Jen seits des Sagbaren gibt<br />

es das „Unaussprechliche“, das sich zeigt (ebd., Satz<br />

6.522). Die Aufgabe, die der Phi losophie zukommt,<br />

besteht in der „Tä tigkeit“ einer analytischen Aufklärung:<br />

„Die Philosophie soll die Gedanken, die sonst,<br />

gleichsam trübe und verschwommen sind, klar machen<br />

und scharf abgrenzen“ (ebd., Satz 4.112). Die analytische<br />

Aufklärung erteilt dem metaphysischen Den ken<br />

eine Absage, weil Philosophie nur das sagen solle,<br />

was sich auch „sagen lässt“. Dieses Diktum impliziert<br />

Einführung in die Philosophie<br />

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