handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie
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kehr ohne Anfang und Ende könne keine ewige Seligkeit<br />
bzw. Erlösung erwartet werden. Somit sei die<br />
ewige Wieder kehr des Gleichen „abscheulich“<br />
(Augustinus: Gottesstaat, XII, 21). Die Geschichte<br />
der Menschheit ist nach Augustinus univer sal, da sie<br />
von einem einzigen Gott erschaffen und zu einem<br />
einzigen Ziel gelenkt werde. Das eigentliche Geschehen<br />
in der Geschichte sei der Kampf zweier Reiche,<br />
und zwar zwischen „civitas terrena“ (Brudermörder<br />
Kain) und „civitas Dei“ (Abel). Kain, der Mörder, ist<br />
der Gründer des irdischen Reiches, des „saeculum“,<br />
Abel ist in diesem „saeculum“ der „peregrinus“, der<br />
Pilger zu einem über irdi schen Ziel. Karl Löwith sieht<br />
in der augustini schen Ge schichtsauffassung keine<br />
Ge schichts<strong>philosophie</strong>, sondern eine „dogmatische<br />
Auslegung des Christentums in dem Geschehen der<br />
Welt“. Sein Werk diene lediglich dem Zweck, „Gott<br />
in der Geschichte zu rechtfertigen“ (Karl Löwith:<br />
Weltgeschichte und Heilsgeschehen, Kap. IX).<br />
4. Fortschrittstheorien und Zeitkategorien<br />
in Aufklärung und Gegenwartsphiloso phie<br />
Vertreter der Aufklärung wie Turgot, Condorcet,<br />
Kant, Comte, Philosophen des deut schen Idealismus<br />
wie Hegel und Materialisten wie Marx und Engels<br />
haben Ge schichtsphiloso phien verfasst, die Geschichte<br />
als „Prozess“ darstellen, verbunden mit einem Ziel,<br />
auf das Ge schichte hinausläuft. Geschichtsphilosophische<br />
Auseinander setzungen in der Gegenwarts<strong>philosophie</strong>,<br />
wie von Löwith, Koselleck, Foucault, Jonas,<br />
Arendt, nehmen Bezug auf konkrete geschichtliche<br />
Ereignisse und Prozesse, insbeson dere auf die Shoah,<br />
wie auch auf ökologische Krisen, und entwickeln hierauf<br />
basie rend philosophische Konzeptionen.<br />
Teleologisch orientierte geschichtsphilosophische Auffassungen<br />
finden ihren Ausgang in der Aufklärung, wo<br />
Geschichte in einem Grundmuster des Fortschritts<br />
ge dacht wird. Das ge schichtsphilosophische Problem<br />
ergibt sich aus der Frage danach, wie die vielfältigen,<br />
auch wi derstreben den individuellen Handlungen und<br />
Ziele von Menschen unter ein Ge samt-Telos zu subsumieren<br />
sind. Turgot bemüht das Erklärungsmuster<br />
einer göttlichen „Vor sehung“ (Turgot: Über die Fortschritte<br />
des menschlichen Geistes), Kant nimmt eine<br />
„Natur absicht“ an (Immanuel Kant: Idee zu einer<br />
allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht),<br />
Hegel eine „List der Ver nunft“ (Georg Wilhelm<br />
Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Philoso phie<br />
der Geschichte), Comte entwickelt ein „Drei-Stadien-<br />
Gesetz“.<br />
Zukunft eröffnet sich als ein neuer Erwartungshorizont,<br />
die eigene gegenwärtige Zeit wird zugleich als<br />
Ende einer Epoche und als Übergang in eine neue<br />
Zeit erlebt. Im 18. Jahr hundert entsteht durch die<br />
Bewegung der Aufklärung eine neue weltanschauliche<br />
Orien tierung gegen die christlich-theologische<br />
Ontologie und Morallehre. Der Verlauf der Menschheitsgeschichte<br />
ist nicht mehr Ergebnis der göttlichen<br />
Vor sehung, sondern Er gebnis des Handelns<br />
vernunftbegab ter Menschen. Die Vorstellung von der<br />
zyklischen Lebenszeit der Individuen wird ab gelöst<br />
von der Idee der Weltzeit.<br />
Ähnlich wie die Begriffe „Emanzipation“ und „Fortschritt“<br />
entwickelt sich der Begriff „Sä kularisa tion“<br />
im Zuge der Französischen Revolution zur <strong>philosophie</strong>geschichtlichen<br />
Deu tungskategorie. Hier sei auf<br />
Karl Marx verwiesen, der es in seiner Schrift Zur<br />
Kritik der Hegelschen Rechts<strong>philosophie</strong> als Aufgabe<br />
der Geschichte ansieht, „nachdem das Jenseits der<br />
Wahrheit verschwunden ist, die Wahrheit des Diesseits<br />
zu etablieren“. Die Opposition Diesseits-Jenseits wird<br />
tendenziell abge löst durch die Opposition Vergangenheit-Zukunft.<br />
Es entwickelt sich eine weltimmanente,<br />
ge schichtliche Zeiterfahrung, die in Form der geschichtlichen<br />
Zeit als vom Menschen produzierte<br />
Zeit gedeutet wird. Herr der Geschichte ist nicht<br />
mehr Gott, sondern der Mensch, der „Fortschritt“<br />
macht (Koselleck: Theorie der Geschichte).<br />
Der neuzeitliche Rationalismus lehnt sich dem neuen<br />
Selbst verständnis der Natur wissen schaf ten an, insbesondere<br />
entwickelt sich das Verständnis von der<br />
Autonomie der Ver nunft als dem eigentlichen Wesensmerkmal<br />
des Menschen. Vernunft wird nicht<br />
mehr als Fähigkeit der Seele verstanden, ewige Wahrheiten<br />
zu schauen, sondern vielmehr als natürliche<br />
mensch liche Fähig keit begriffen, die es zu entwickeln<br />
und zu fördern gilt. Mit dem neuen Paradigma einer<br />
vom Menschen gemachten Geschichte ist auch deren<br />
Sub jekt aus<strong>zum</strong>achen: Menschen werden zu Subjekten<br />
der Geschichte und tragen die Ver antwortung für<br />
die Fortentwicklung <strong>zum</strong> Guten nicht nur innerhalb<br />
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Geschichts<strong>philosophie</strong>