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handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

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Weise zu sehen, dass das Kunstwerk ein der realen<br />

Geschichte „ent hobenes Sein“ sei, sondern es ist „als<br />

Seiendes ein Werdendes“. Am Kunstwerk erscheint, so<br />

Adorno, eine „innere Zeit“, die auf einen „monadologischen<br />

Kern“ verweist, der im Kunstwerk Geschichte<br />

speichert. „Kunstwerke analysieren“ heißt somit, sich<br />

„der in ihnen aufgespeicherten imma nenten Geschichte<br />

innezuwerden“. Wie kann, so fragt Adorno, „Machen<br />

ein nicht Gemachtes erscheinen lassen, was dem eigenen<br />

Begriffe nach nicht wahr ist, doch wahr sein“? Dies ist<br />

nur möglich, wenn das Kunstwerk etwas enthalte,<br />

was vom Schein des Kunstwerkes Verschiedenes ist,<br />

doch Ge halt haben alle Kunstwerke nur durch den<br />

Schein. So wäre die „Rettung des Scheins“ die zen trale<br />

Aufgabe der Ästhetik: „Der ästhetische Schein will<br />

erretten, was der tätige Geist, der auch die Träger des<br />

Scheins, die Artefakte hervorbrachte, dem entzog, was<br />

er zu seinem Material, einem Für anderes, herabsetzte.“<br />

(Adorno: Ästhetische Theorie; Schein und Ausdruck).<br />

Kunstwerke haben somit ein Telos, das in Sprache<br />

nicht übersetzbar ist, sich nicht „von prästabilierter<br />

Allgemeinheit“ einfangen lässt; den noch bedarf Kunst<br />

der Philosophie, d. h. der Ästhetik, um mit ihrer Hilfe<br />

das zu sagen, was sie selbst nicht sagen kann, dies<br />

aber in künstlerischer Form <strong>zum</strong> Ausdruck bringt,<br />

„in dem sie es nicht sagt“. Adorno spricht in diesem<br />

Zusammenhang von der „Paradoxie der Ästhetik“.<br />

Adorno greift zentrale Aspekte von Walter Benjamin<br />

auf und modifiziert diese im Hinblick auf seine Ästhetik.<br />

Dies gilt nicht nur für den Begriff der Monade,<br />

sondern auch für den Be griff „Aura“, den Benjamin in<br />

seinem Essay Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen<br />

Reprodu zierbarkeit 1935 im Zusammenhang<br />

seiner Ästhetik darlegt. Er untersucht dieses Phänomen<br />

nicht nur unter ästhetischen Gesichtspunkten,<br />

sondern auch gesellschaftlich und vor allem poli tisch.<br />

Im Zentrum seiner Überlegung steht die Kunst im<br />

Zeitalter der techni schen Reproduktion, was sich<br />

nicht nur für die Kunst selbst, sondern insgesamt für<br />

Gesell schaft und Politik folgen reich erweisen wird.<br />

Nach Benjamin wurde die Reproduktion von Kunstwerken<br />

grundsätzlich schon immer durch die Menschheitsgeschichte<br />

angestrebt. Er verweist auf Gussverfahren<br />

(Bronze- und Terra cotta figuren) und Prägungen<br />

(z. B. Münzen), Holzschnittdrucke, Kupferstich,<br />

Radierungen und Buch druck, Lithografie etc. Doch die<br />

technische Entwicklung im 20. Jahrhundert ver ändert<br />

in radikaler Weise die Reproduzierbarkeit und somit<br />

die Möglichkeiten der Vervielfäl tigung von Kunstwerken.<br />

Entscheidend für die Kunst ist das Herauslösen<br />

der Kunstwerke, der Originale aus ihrem „Hier und<br />

Jetzt“. Das Original des Kunstwerks wird aus seinem<br />

ur sprünglichen historischen Kontext herausgelöst.<br />

Durch technische Verfahren kann die Re produktion<br />

nicht nur in zahlreichen Men gen an verschiedenen<br />

Orten und Zeiten zur Ansicht gebracht werden, die<br />

dem Original unzu gänglich wären, sondern durch<br />

technische Mittel können auch Vergrößerungen,<br />

Detailaufnah men etc. vorgenommen werden. Die<br />

Echtheit geht damit verloren, und das ist nach Benjamin<br />

gerade der empfindlichste Kern eines Kunstwerkes.<br />

Die „Aura“ des Kunstwerks (nicht nur der<br />

bildenden Kunst, sondern auch der Literatur) verkümmert.<br />

Der Begriff „Aura“ muss verstanden werden<br />

als „die Formulierung des Kultwerts des Kunstwerks<br />

in Kategorien der raum-zeitlichen Wahrnehmung“.<br />

Das Unnah bare, was damit <strong>zum</strong> Ausdruck kommt,<br />

ist nach Benjamin die Hauptqualität des Kultbildes,<br />

und seine materielle Nähe vermag die Ferne nicht<br />

aufzuheben. In diesem Zusammenhang geht Benjamin<br />

vom Kultbild aus, das in seinem ursprünglichen<br />

traditio nellen Zusammen hang im Dienste eines Rituals<br />

stand und damit seinen „originären Gebrauchswert“<br />

hatte. Die Möglichkeit der Reproduktion, die<br />

Vielfalt der Abzüge hat nach Benjamin zur sozialen<br />

Ver änderung der Funktion von Kunst geführt. Das<br />

Kunstwerk wird aus der Tradition heraus geführt und<br />

dem Betrachter in seiner jeweiligen Situation „aktualisiert“.<br />

Dies führt, so Benjamin, zur „Liquidierung des<br />

Traditionswertes am Kulturerbe“ und hat somit das<br />

kulti sche Fundament der Kunst abgelöst. Gleichzeitig<br />

legt Benjamin dar, dass die „Zertrümme rung der<br />

Aura“ von Kunstwerken im Zeitalter der technischen<br />

Reproduzierbarkeit ebenfalls dazu beiträgt, und zwar<br />

erstmalig in der Weltgeschichte, das Kunstwerk „von<br />

seinem para sitären Dasein am Ritual“ zu emanzipieren.<br />

„Mit der Säkularisierung der Kunst tritt die Au thentizität<br />

an die Stelle des Kultwerts.“ Kunst verliert damit den<br />

„Schein ihrer Autonomie“. Dies gilt allerdings nicht<br />

für die Kunstform des Films, der selbst ein Produkt<br />

der Technik ist. Durch die Filmkamera wurde nach<br />

Benjamin inzwischen eine andere Darstellungsqualität<br />

von Bildern erreicht, die sich von Bildern der Malerei<br />

eklatant unterscheidet: Die Kamera „dringt tief ins<br />

Gewebe der Gegebenheit ein“. Daraus entsteht zerstückeltes<br />

Bildmaterial, dessen Teile sich nach „einem<br />

neuen Gesetz“ zusammenfinden. Nicht zu unterschät-<br />

20 Philosophische Ästhetik

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