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handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

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Sprachanalytische Reflexionen, wie von Quine, diejenigen<br />

des Behaviorismus, der Wiener Schule oder von<br />

Wittgenstein stellen Grundlagen der Philosophie des<br />

Geistes in Frage. Bedeutet dies das Ende der Philosophie<br />

des Geistes? Bieri ist der Auffassung, dass die<br />

sprachanalytische Reflexion für die Philosophie des<br />

Geis tes eine „diagnostische und kritische Phase“ war,<br />

die die Philosophie des Geistes enorm be reicherte,<br />

doch auch diese Ansätze haben nach Bieri ihre Schwächen<br />

und Lücken, wie etwa Quines „semantic ascent“.<br />

Im Hintergrund dieser Strategie liegt eine inhaltliche<br />

Prämisse, wie Bieri sagt, die „erkenntnistheoretische<br />

Prämisse“, dass wir „keinen epistemischen Zu gang zu<br />

den Phänomenen haben, der unabhängig von Sätzen<br />

ist“ (Bieri, in: Analytische Philosophie des Geistes,<br />

1. Teil). Die Verknüpfung von Erkenntnistheorie und<br />

Philosophie des Geistes wird insbesondere erkennbar<br />

an Einflüssen aus dem logischen Empirismus (Wiener<br />

Schule), der sich darum bemühte, sinnvolle, verifizierbare<br />

Sätze, also „echtes Wis sen“, von metaphysischen<br />

Spekulationen zu unterscheiden (vgl. Arbeitsbereich<br />

Sprach <strong>philosophie</strong>).<br />

Fragen wie z. B. „Ist die Außenwelt wirklich?“ sind<br />

nach Carnap „Scheinfragen“, sie sind nach Carnap<br />

mit Bezug auf Wittgensteins „Verifikationsprinzip“<br />

„nicht kognitiv“. Es handelt sich um die These, dass<br />

die Bedeutung eines Begriffsinhaltes durch die Verifikations<br />

bedingungen des Satzes festgelegt wird (vgl.<br />

Rudolf Carnap: Mein Weg in die Philosophie, II, 5).<br />

Einen weiteren Einfluss stellt der „wissenschaftliche<br />

Realismus“ dar, der mit dem An spruch auftritt, ontologische<br />

Fragestellungen nach den Gesichtspunkten<br />

empirischer Theo rien zu beantworten. Nach Ernst<br />

von Glasersfeld, Vertreter des „radikalen Konstruktivismus“,<br />

ist die Macht von „eingebürgerten Begriffen“<br />

kaum zu überschätzen. In seiner Schrift Konstruktion<br />

der Wirk lichkeit und des Begriffs der Objektivität legt er<br />

dar, dass Begriffe unser Welt- und Selbstbild prägen.<br />

Es ist über einen langen Zeitraum die Vorstellung<br />

gewachsen, dass Wissen über das, was wir erkennen<br />

oder erleben, nur dann Wissen ist, wenn es mit einer<br />

vom Erkennen den unabhängigen Welt „wahrheitsgetreu“<br />

übereinstimmt (Isomorphie). In diesem „herkömmlichen<br />

Begriffsschema“ setzt Erkennen von etwas<br />

die Vorstellung voraus, dass der Mensch in seiner<br />

Wahrnehmung „von außen“ angeregt wird, etwas zu<br />

erkennen, was sich außerhalb von ihm befindet und<br />

erkannt werden kann. Dieses „Missverständnis“ – so<br />

Glasersfeld – war schon zur Zeit des Sokrates „tief<br />

verwurzelt“ und „eingefleischt“. Er verweist auf<br />

Platons Dialog Theaithetos, wo diese Vorstellung<br />

sehr deutlich <strong>zum</strong> Ausdruck kommt: „Wenn ich […]<br />

wahrnehmend werde, muss ich es notwendig in Beziehung<br />

auf etwas werden; denn ein Wahrnehmender<br />

zu werden ohne etwas wahrzunehmen, ist unmöglich.<br />

Der Gegenstand aber muss, wenn er süß oder bitter<br />

oder dergleichen wird, es für jemanden werden; denn<br />

süß zu werden, aber für niemanden süß, ist unmöglich“<br />

(Platon: Theaitetos 160 ).<br />

Vertreter der Skepsis haben, so Glasersfeld, daran<br />

nichts geändert: Bis <strong>zum</strong> 17. Jahr hundert stand<br />

hinsichtlich der Sinneswahrnehmung der „Zweifel“<br />

im Brennpunkt der philoso phischen Reflexion<br />

(Descartes), im 18. Jahrhundert führte Hume die<br />

Verbindung von Ur sache und Wirkung, also kausale<br />

Erklärungen, auf Assoziationen des Erkennenden<br />

zurück, und schließlich schloss Kant die Möglichkeit<br />

der wahren Erkenntnis aus, indem er Raum und Zeit<br />

als Anschauungsformen a priori im Bereich des subjektiv<br />

Phänomenalen annahm. „Das Ding an sich ist<br />

nicht erkennbar“ – diese These Kants macht deutlich,<br />

dass eine wahr heitsgetreue Vorstellung bzw. Darstellung<br />

einer ontischen Wirklichkeit („noumena“)<br />

nicht vor ausgesetzt werden kann. Doch trotz dieser<br />

philosophisch-erkenntnistheoretischen Reflexion<br />

hat sich nach Glasersfeld das traditionelle Weltbild<br />

vom objektiven Wissen einer absoluten Wahrheit als<br />

äußerst hartnäckig erwiesen. Der radikale Konstruktivismus<br />

ersetzt nun die traditionelle Vorstellung von<br />

einer Beziehung zwischen ontischer Welt und Erkennendem<br />

durch ein „anderes begriffliches Verhältnis“.<br />

Die traditionell angenommene Isomorphie, die „Übereinstimmung“<br />

oder „Gleichförmigkeit“, wird im Sinne<br />

Glasersfelds vollkommen anders gedacht, nämlich<br />

als „Viabilität“: „Handlungen, Begriffe und begriffliche<br />

Operationen sind dann viabel, wenn sie zu den Zwecken<br />

oder Beschreibungen passen, für die wir sie nutzen. […]<br />

Wissen ist kein Bild oder keine Repräsentation der<br />

Realität, es ist vielmehr eine Landkarte dessen, was<br />

die Realität uns zu tun erlaubt. Es ist das Repertoire an<br />

Begriffen, begrifflichen Beziehungen und Handlungen<br />

oder Operationen, die sich in der Verfolgung un serer<br />

Ziele als viabel erweisen“ (Ernst von Glasersfeld:<br />

Konstruktion der Wirklichkeit und des Begriffs der<br />

Erkenntnistheorie – Philosophie des Geistes 91

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