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handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

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3. Sprachreflexionen im Mittelalter<br />

Sprachphilosophische Reflexionen des Mittelalters<br />

sind über weite Teile geprägt vom „Uni versalienstreit“.<br />

Dabei geht es um das Kernproblem, wie übergeordnete<br />

Allgemein begriffe, Gat tungsbegriffe wie z. B.<br />

geometrische Figuren oder die Gattung „Pferd“,<br />

„Säuge tier“ etc., also so genannte „Universalien“,<br />

entstehen bzw. entstanden sind. Hierzu gibt es<br />

grundsätz lich zwei einander wi dersprechende Hauptpositionen:<br />

Nach Auffassung der Nominalisten sind<br />

nur die Individuen real, da nur diese empirisch wahrnehmbar<br />

sind. Begriffe – die „Universalien“ – hingegen<br />

sind nachgeordnet, d. h. vom Menschen entwickelt.<br />

Ohne die Tä tigkeit des menschlichen Geistes bzw. der<br />

menschlichen Seele gäbe es nach dieser Auffas sung<br />

keine „Universalien“. Gegenposi tionen vertreten die<br />

Auffassung, dass die Begriffe in der Natur vorhanden<br />

sind, d. h. dass sie auch ohne den Menschen existieren.<br />

Ihr Ursprung wird, da die Philosophie im Mittelalter<br />

eng mit der Theologie verflochten ist, <strong>zum</strong>eist in<br />

Gott bzw. einem göttlichen Schöpfungsakt gesehen.<br />

Hauptvertreter sind u. a. Augustinus und Boethius.<br />

Ihrer Auffassung nach existieren die Be griffe bzw.<br />

„Universalien“ vor den Dingen, d. h. der Ursprung aller<br />

Dinge liegt in den letztlich von Gott geschaffenen<br />

„Universalien“. Insge samt ist bei Betrachtung und<br />

Reflexion der mittelalterli chen Philosophie zu bedenken,<br />

dass es dabei immer auch um eine theologische<br />

Positionierung geht; so darf eine erkenntnistheoretische<br />

oder sprachphilosophische Position nicht<br />

im Wider spruch zur christlichen Schöpfungslehre<br />

oder <strong>zum</strong> christlichen Glauben an einen dreieinigen<br />

Gott stehen. Sprach theorie diente prioritär der<br />

theologischen Spekulation im Hinblick auf eine<br />

Rechtfertigung und Beweisführung der Existenz<br />

Gottes. Es herrschte die Vorstellung vor, dass Äußerungen<br />

Gottes in Zeichen der Sprache inhärent sind.<br />

Eine nominalistische Position bei spielsweise, die<br />

„Universalien“ und Gattungsbegriffe als nach den<br />

Dingen Entstandenes annimmt, wird in diesem Sinne<br />

schnell angreifbar, da hier eine Leugnung der Glaubensauffassung<br />

ver mutet wurde, dass alles Existierende<br />

Schöpfung Gottes sei – was somit auch die<br />

„Universalien“ ein schließt.<br />

4. Sprachreflexion in der Neuzeit:<br />

Nach Thomas Hobbes entsprechen die Worte nicht<br />

dem Wesen der (wirklichen) Dinge, son dern beziehen<br />

sich auf Vorstellungen von den Dingen. Somit birgt<br />

Sprache die Gefahr der Verschleie rung von Unwissen,<br />

auch Täuschung durch strategisch eingesetztes Lügen.<br />

Dies impliziert auch die Selbsttäuschung, was gerade<br />

im Hinblick auf Politik besonders den Men schen <strong>zum</strong><br />

Nachteil gereicht, nämlich dann, wenn durch Wortkunst<br />

Gutes als Böses oder Böses als Gutes um gedeutet<br />

werden kann, was den Frieden unter den<br />

Menschen erheblich zu stören vermag. So beleuchtet<br />

Hobbes Vor- und Nachteile der Sprache und hebt<br />

den As pekt der Sprache als Mittel der Kommunikation<br />

im Hinblick auf gegenseitigen Austausch und<br />

die Vermittlung von Wissen hervor (Thomas Hobbes:<br />

Lehre vom Menschen, Kap. X, Von der Sprache und<br />

den Wissen schaften).<br />

Die Frage des Zusammenhangs von Ding und Wort<br />

spielt auch in der Sprachreflexion des Empi risten John<br />

Locke eine zentrale Rolle. Sprache ist in seinem Sinne<br />

im „geselligen“ Menschen anthropologisch verankert<br />

und bildet „das gemeinsame Band der Gesellschaft“<br />

(John Locke: Versuch über den menschlichen Verstand,<br />

Kap. III, §1). Nach Locke stehen Wörter als Zeichen<br />

für Ideen und Ideen als Zeichen für Dinge. Als Kommunikationsmittel<br />

ist die Sprache dem Men schen<br />

notwendig, um „ideas“ anderen verständlich zu<br />

machen. Vor stellungen (insbesondere „complex<br />

ideas“) sind nicht bei allen Menschen gleich, nicht<br />

für andere wahrnehmbar und kön nen erst durch das<br />

Medium der Sprache transparent gemacht werden.<br />

Locke nimmt den lebendigen zwischenmenschlichen<br />

Dialog in den Blick, in dem Sprecher und Hörer aktiv<br />

Sprache für Verstehensprozesse einsetzen: „Die Worte<br />

sind die sinnlichen Zeichen der Vorstel lungen dessen,<br />

der sie gebraucht […]. Wenn Men schen miteinander<br />

sprechen, so wollen sie verstanden sein, und der Zweck<br />

des Sprechens ist, durch Laute, als Zeichen, seine Vorstellun<br />

gen dem Hörer bekannt zu machen“ (Locke:<br />

Versuch über den menschlichen Verstand, 3. Buch,<br />

2. Kap. § 2).<br />

Gottfried Wilhelm Leibniz nimmt in seiner Schrift<br />

Neue Abhandlungen über den menschli chen Verstand<br />

Bezug auf Locke in Form eines Dialogs zwischen<br />

Philalethus (Locke) und Theophi los (Leibniz selbst).<br />

Sprach<strong>philosophie</strong> 51

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